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Kein "Sammeleichhörnchen mit Schlapphut": Brandenburgs neuer Verfassungsschutz-Chef Carlo Weber.

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Brandenburgs neuer Verfassungsschutz-Chef: Mit aller Macht gegen Rechts

Er hat den Verfassungsschutz in schweren Zeiten übernommen. Die Pannen bei den Ermittlungen zur Neonazi-Terrorzelle NSU haben die Nachrichtendienste in Verruf gebracht. Carlo Weber will nun Erfolge.

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Potsdam - Der Einsatz auch straffällig gewordener V-Leute ist nach Ansicht von Brandenburgs neuem Verfassungsschutz-Chef Carlo Weber weiterhin wichtig. "Wir brauchen Leute aus dem Milieu, die auch Verfehlungen im Lebenslauf haben können. Ich warne davor, zu pingelig zu sein", sagte Weber der Nachrichtenagentur dpa. "Diese Spielräume müssen aber gemeinsam festgelegt werden. Dafür gibt es die parlamentarischen Kontrollgremien", betonte der Jurist. Als Konsequenz aus den Morden der Terrorzelle NSU seien jedoch Grenzen für ihren Einsatz gezogen worden. So kämen grundsätzlich keine Menschen mehr in Frage, die ein Verbrechen begangen haben.

Auch mit Blick auf die Pannen bei den Ermittlungen zu den NSU-Morden ist Weber Transparenz in seiner Behörde wichtig. "Fehler werden gemacht. Das werde ich nicht ausschließen können", sagte der 62-Jährige. "Wir müssen aber eine Fehlerkultur haben, dass sie so schnell wie möglich auffallen und korrigiert werden können." Der bisherige Leitende Oberstaatsanwalt aus Frankfurt (Oder) hat den Verfassungsschutz in Brandenburg vor knapp 100 Tagen übernommen.

Interview

Die Bekämpfung des Rechtsextremismus bleibt wichtigstes Thema der Verfassungsschützer in Brandenburg. Carlo Weber sind vor allem Konzerte der rechten Szene ein Dorn im Auge. "Ich würde mir gerne auf die Fahne schreiben, da noch weitere Schritte voranzukommen", sagte Verfassungsschutz-Chef Weber im Interview der Nachrichtenagentur dpa. "Da will ich zählbares Material haben, um diesen Sumpf trockenlegen zu können."

Wie lässt sich dies erreichen?

Da müssen alle mitziehen - die Zivilgesellschaft, die Kommunalbehörden, die Polizei und wir. Wir müssen mit den Verantwortungsträgern vor Ort im Gespräch sein. Wir sind nicht nur die Sammeleichhörnchen mit Schlapphut. Die Mitarbeiter sind - neben dem Auswerten von Material - bis zur Grenze des Verkraftbaren auch im Land unterwegs und teilen ihre Erkenntnisse mit. Das ist ein mühsames Geschäft. Wir wollen generell überall, wo diese Herrschaften aktiv sind, unsere Werkzeuge ausschöpfen und liefern, um Verbotsanträge durchzubekommen. Dadurch verschwinden die Rechtsextremisten zwar nicht, aber nach unseren Beobachtungen stören Verbote die propagandistische Entwicklung dieser Kreise deutlich.

Die Bedingungen für den Einsatz von V-Leuten sind als Konsequenz aus den NSU-Morden verändert worden. Schließt das den Einsatz von straffällig gewordenen Informanten aus?

Nein. Aber es sind Grenzen gezogen worden. Grundsätzlich nicht mehr in Frage kommen sollen Menschen, die ein Verbrechen begangen haben. Das ist juristisch der Fall bei Taten, die mit mindestens einem Jahr Haftstrafe geahndet werden. Insgesamt ist die Auswahl der Informanten ein Balanceakt: Ein Mensch mit einwandfreiem Lebenslauf wird uns wenig Erkenntnisse bringen. Wir brauchen Leute aus dem Milieu, die auch Verfehlungen im Lebenslauf haben können. Ich warne davor, zu pingelig zu sein. Diese Spielräume müssen aber gemeinsam festgelegt werden. Dafür gibt es die parlamentarischen Kontrollgremien. Wir wollen das nicht allein entscheiden und verantworten. Das muss breiter verteilt sein.

Sie haben ihre Behörde in einer schwierigen Zeit übernommen. Wie fällt Ihre Bilanz nach bald 100 Tagen im Amt aus?

Ich bin noch in der Phase des Einarbeitens. Zugleich muss man die Menschen kennenlernen - und die Mitarbeiter mich. Sie müssen wissen, wie der neue Chef tickt. Ich möchte es transparent. Das, was wir uns nach Außen vornehmen - so transparent sein, wie es die delikate Materie eben zulässt - gilt in einem viel größeren Maße im Innenverhältnis. Hier muss Tacheles geredet werden, weil ich sonst ins Messer laufe als derjenige, der die Dinge nach Außen vertritt. Fehler werden gemacht. Das werde ich nicht ausschließen können. Wir müssen aber eine Fehlerkultur haben, dass sie so schnell wie möglich auffallen und korrigiert werden können. Ich suche noch nach Wegen, wie man die Kontrolle noch besser gestalten kann.

Der Bundesrat will vor dem Verfassungsgericht erneut ein NPD-Verbot beantragen - ohne Unterstützung von Bundestag und schwarz-gelbe Regierung. Was halten Sie von dem Schritt?

Ich habe die Überzeugung gewonnen, dass es handwerklich machbar ist. Das andere ist eine politische Ebene. Als Demokrat ist es einem ein Dorn im Auge, dass diese Partei staatliche Mittel erhält. Das ist den Menschen auch kaum vermittelbar. Insofern befürworte ich den Vorstoß.

In der Zentralen Aufnahmestelle Eisenhüttenstadt haben kürzlich Islamisten ein Flüchtlings-Ehepaar angegriffen und verletzt. Wie groß ist die Gefahr islamistischer Extremisten im Land?

Wir dürfen die Gefahr nicht unterschätzen. Aber Brandenburg ist kein "Hotspot". Wir sind natürlich als ein Teil des Verfassungsschutz-Verbundes aufgefordert, wachsam zu sein. Die Kollegen brauchen Hinweise darüber, was in Rückzugsgebieten geschieht. Der Fall aus Eisenhüttenstadt ist bestens bei Polizei und Justiz aufgehoben. Es handelte sich ja nicht um Terrorismus im engeren Sinn. Er zeigt jedoch die Symptome von Intoleranz, die in solchen Gruppen vorhanden sind und schnell umschlagen können. Das muss man genau beobachten. Wie viele gewaltbereite Islamisten in Brandenburg sind, ist schwer zu sagen. Aber wir haben ein höheres Aufkommen von Menschen, die aus dem Nordkaukasus zu uns kommen.

Das Gespräch führte Marion van der Kraats, dpa

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