Brandenburg: Mit dem Bus ins Niemandsland
Berliner und Brandenburger Abgeordnete finden bei ihrer Tour keine gemeinsame Haltung zum Tagebau
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Großräschen - Begeistert sind die Berliner in der Lausitz nicht empfangen worden. Dass sich das Berliner Abgeordnetenhaus neuerdings für die Braunkohle-Pläne des benachbarten Bundeslandes interessiert, verfolgen viele in Brandenburg mit Misstrauen. Wochenlang hatten die brandenburgischen und die Berliner Ausschüsse darüber gestritten, was die Besucher aus der Stadt zu sehen bekommen sollten. Und eines haben sie nicht zu sehen bekommen: Das Bioenergiedorf Proschim, das der Erweiterung des Tagebaus Welzow Süd II weichen soll, ließen die beiden Busse der Abgeordneten aus.
Gesehen haben die Gäste aus Berlin und Potsdam am Ende den Tagebau Welzow Süd, ein brandneues Abwasserwerk, in dem Grubenwasser von Eisenoxid bereinigt wird. Es hat eine Einleitungsstelle für „Öko-Wasser“, die gerade frisch saniert war. Vattenfall und das Landesbergamt Brandenburg nennen das gereinigte Wasser „Öko-Wasser“, weil es eine Landschaft vernässen soll, die entwässert worden war, um die Kohle zu fördern. „Das Öko-Wasser, oder Stützungswasser, wenn das nicht genehm ist“, werde noch Jahre nach dem Ende der Kohleförderung in die Landschaft geleitet, weil das Grundwasser nicht so schnell wieder ansteigen könne, sagte der Wasserexperte von Vattenfall. Der verockerte Bach war aber wenige Schritte weiter im Wald trotzdem zu sehen, zumindest für die Abgeordneten, die über die Straßenbegrenzung kletterten, um sich das einmal genauer anzuschauen.
Wo immer die Abgeordneten ankamen, waren die Demonstranten schon da. Greenpeace und einige kleinere Bürgerinitiativen bauten sich mit ihren Anti-Kohle-Plakaten vor einem der großen Löcher in der Landschaft auf, am Tagebau Welzow Süd. Auf das Transparent einer Bürgerinitiative gegen ein „Endlager im Altdöberner See“ trafen die beiden Busse gleich mehrfach. Damit wehrt sich eine Bürgerinitiative dagegen, dass Eisenschlamm im See versenkt werden soll. Am Ende der Reise empfingen dann die Gewerkschaft IGBCE und einige Betriebsräte von Vattenfall die Politiker, die aus fünf verschiedenen Ausschüssen zur Exkursion in die Lausitz gefahren waren. Sie wollen, dass die Braunkohle noch lange aus dem Boden geholt wird, weil sie annehmen, dass das ihre Arbeitsplätze sichert.
Nach der Sommerpause soll es eine gemeinsame Sitzung der gemeinsamen Landesplanungskonferenz der beiden Bundesländer geben. Wie weit die Positionen voneinander entfernt sind, zeigte sich bei der öffentlichen Anhörung im Anschluss an die Ausschussreise. Der brandenburgische Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) begründete mit der Rettung des Wirtschaftsstandorts Deutschland vor nicht wettbewerbsfähigen Strompreisen, dass die Braunkohle zwar nicht für immer, aber noch ganz lange gebraucht werde. Der Staatssekretär in der Senatsverwaltung Stadtentwicklung und Umwelt, Christian Gaebler, redete dagegen von den Sorgen im Berliner Wasserwerk Friedrichshagen um die hohen Sulfatwerte, die mit der Spree in die Trinkwasserbrunnen von rund zwei Millionen Berlinern gespült werden.
Das Sulfat, das die Berliner so bedrückt, bleibt wohl noch länger ein Problem. Ingolf Arnold von Vattenfall beschrieb das Problem so: „Sulfat ist eine ganz faule Verbindung.“ Im Gegensatz zum Eisenoxid, das die Verockerung der Flüsse verursacht, geht so viel Sulfat in die neue Grubenwasserreinigungsanlage wie auch wieder rausgeht. Doch seit dem vergangenen Herbst wird das Wasser nicht mehr direkt in die Spree geleitet sondern „auf einem riesigen Gebiet verteilt“, berichtet Arnold. Das Sulfat fließe ins Grundwasser und bleibe da, meint er. Allerdings kann auch er nicht ausschließen, dass der Stoff am Ende doch wieder in der Spree landet. Jedenfalls hofft Vattenfall, dass das Sulfat besser verdünnt wird und damit die Grenzwerte auch im Berliner Wasserwerk eingehalten werden können.
Die Bürgermeisterin von Welzow, Birgit Zuchold (SPD), beklagte vor allem die Unsicherheit. „Wir brauchen Klarheit“, sagte sie zuerst im Bus und später auch bei der Anhörung noch einmal. Sie forderte „unverzüglich“ einen Strukturfonds und beklagte, dass die Verkaufspläne Vattenfalls und die Debatte um die Klimaabgabe die betroffene Bevölkerung „schwer verunsichern“. René Schuster von der Grünen Liga warb dagegen für Verständnis für Proschim, das „ein intaktes Dorf wäre, wären da nicht die Konflikte um den Tagebau“.
Die Lausitzer Abgeordnete Heike Schinowski (Grüne) beobachtet zwar seit Monaten, wie sich die Diskussion um die Braunkohle verändert. Wegen der Debatte um die Verockerung der Spree vertreten inzwischen auch ehemalige Braunkohlebefürworter manchmal Positionen, die zumindest die Erweiterung der Tagebaue in Frage stellen.
Nach dem „Strukturbruch der 1990er Jahre“ (Zuchold) ist die Lausitz noch weit davon entfernt, die Hafenbrücke am Großräschener See als Brücke von der „Braunkohle in die Zukunft“ zu bauen, wie der Chef des Landesbergamts, Klaus Freytag, das am Mittwoch beschrieb. Schinowski sagt: „Die Angst ist nicht auszuhalten.“ Und es ist offenbar nicht nur Angst, die den Veränderungsprozess in der Lausitz bremst. Bei der Anhörung im Seehotel Großräschen beklagte sich der Chef von Vattenfall Mining: „Wir sind nicht die Schmutzfinken der Nation.“ Und sein Betriebsratschef warf den Abgeordneten und Umweltschützern vor, nicht genug Respekt für die Belegschaft aufzubringen. „Wir versorgen die Industrie mit Strom. Dafür müssen wir uns nicht entschuldigen.“
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