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Schöne Aussichten? Am Strand des Schwarzen Meeres in Bulgarien lässt es sich schön leben  wenn man es sich leisten kann. Ob die 40 000 Euro aus der Parteikasse reichen, die beim Ex-Schatzmeister der Grünen vermutet werden, ist allerdings fraglich.

© promo

Von Peter Tiede: Mit Schwarzgeld am Schwarzen Meer?

Der verschwundene Kassenwart der brandenburgischen Grünen tätigte verdächtige Überweisungen auf ein bulgarisches Konto. Ob es das seiner Freundin war, überprüft nun auch das LKA

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Potsdam - Eine Börsenweisheit besagt: Geld ist nie weg, es ist einfach nur woanders. Bei den märkischen Grünen, die seit dieser Woche ihren Schatzmeister und 40 000 Euro vermissen, könnte sich beides in Bulgarien wiederfinden. Zumindest haben die Ermittler von der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder), die den Fall nun zusammen mit dem Landeskriminalamt (LKA) Brandenburg in Eberswalde zentral bearbeiten, eine ernsthafte Spur ans Schwarze Meer gefunden.

Dorthin soll der seit Montag vermisste Schatzmeister des brandenburgischen Grünen-Landesverbandes nach PNN-Informationen Gelder transferiert haben. In mehreren Tranchen habe Christian Goetjes schon vor Monaten mehrere Tausend Euro nach Bulgarien überwiesen – auf das Konto einer Frau. Ob es sich dabei um ein Konto von Goetjes’ Freundin oder deren Verwandten handelt, blieb am Freitag noch unklar.

Fest steht aber: Die Bulgarien-Spur könnte eine heiße sein. Denn: Goetjes Freundin stammt von dort, soll sich dort derzeit auch aufhalten. Die Frau war nach früheren Angaben Goetjes’ drogenabhängig, hatte eine Entzugstherapie gemacht. Gerüchte, wonach sie zeitweise im Berliner Rotlichtmilieu aktiv war, wurden zumindest bis zum Freitag nicht bestätigt.

Wie berichtet, hatte Goetjes vor zwei Wochen erstmals in einer E-Mail angekündigt, vom Amt des Schatzmeisters der Grünen zurückzutreten. Zu der Vorstandssitzung am Montag, auf der der Rücktritt besprochen werden sollte, erschien er nicht. Er hatte sich per SMS entschuldigt. Da er danach weder für die Parteispitze noch für die Eltern erreichbar war, stellten die Eltern eine Vermisstenanzeige. Die Grünen prüften ihre Konten und stießen auf: ein Loch. 40 000 Euro, fast der gesamte derzeitige Geldbestand, waren weg.

Das Geld war Ende der Vorwoche und am Montag abgehoben worden. Zudem stellte sich heraus, das Goetjes schon seit dem Vorjahr in Berlin von der Uni exmatrikuliert worden war. Den Grünen hatte er immer noch erzählt, sein Studium in Berlin und die Prüfungen nähmen ihn derart in Beschlag, dass er sein Ehrenamt als Kassenwart und Gemeindevertreter in Hohen Neuendorf (Oberhavel) nicht mehr gleichzeitig ausführen könne. Auch im Gemeindeparlament war er zunehmend durch Unzuverlässigkeit aufgefallen.

Die Überweisungen auf das bulgarische Konto waren nach PNN-Informationen vom Finanzdienstleister Western Union, der weltweit Bargeld ins Ausland transferiert, routinemäßig ausgelöst worden. Denn bei Überweisungen in ungewöhnlichen Höhen und in bestimmte Länder sind Banken und Finanzdienstleister nach dem Geldwäschegesetz verpflichtet, diese zu melden. In den meisten Fällen verlaufen die Ermittlungen im Sande, weil es sich um legale Überweisungen handelte. Die Umstände der Transaktionen des 33-jährigen Grünen-Schatzmeisters seien bislang noch nicht abschließend geklärt, hieß es am Freitag. Dass er aber über die Konten der Grünen Geld gewaschen haben könnte, gelte als ausgeschlossen.

Unklar ist zudem, woher das Geld für die verdächtigen Transaktionen stammt. Denn um die von den Grünen bisher vermissten 40 000 Euro kann es sich dabei nicht gehandelt haben: die hat Goetjes, der zehn Jahre lang die Konten der Grünen im Lande führte, erst in der Vorwoche und am Montag dieser Woche abgehoben. Und bis dahin hatte es seit dem 31. Dezember 2010 keine Barabhebungen von Grünen-Konten gegeben. Die verdächtigen Überweisungen – mal ein paar Hundert, mal mehrere Tausend Euro – soll Goetjes im Mai und Juni 2010 getätigt haben. Die Ermittler gehen dem Verdacht nach, das Geld könnte aus Straftaten stammen. Und wegen dieser Ermittlungen, so glauben die Fahnder nun, könnte sich Goetjes übereilt abgesetzt haben. Woher er aber von den Geldwäschen-Untersuchungen wusste, war unklar. Denn offiziell wurden diese nie. Auch den Grünen war nichts mitgeteilt worden, hieß es. „Außerhalb der Ermittlungsbehörden war das nur wenigen bekannt“, sagte ein Ermittler.

Ob sich der Schatzmeister mit dem Grünen-Geld tatsächlich gen Bulgarien aus dem Staub gemacht hat oder anderswo abgetaucht ist oder ob ihm etwas zugestoßen ist, war am Freitag noch immer unklar. „Wir suchen derzeit vor allem unser Geld“, sagte Annalena Baerbock, Landeschefin der Grünen am Freitag den PNN.

Zuvor hatten Baerbock und ihr Mit-Landeschef Benjamin Raschke stundenlang zunächst mit ihrer Hausbank und dann mit Beamten des Polizeischutzbereiches Potsdam zusammengesessen. „Die von der Hausbank des Landesverbandes ausgehändigten Auszahlungsbelege wurden von uns bei der Polizei an die Ermittlungsbeamten übergeben“, sagte Baerbock. Die Grünen-Spitze könne keine weiteren Angaben zu den Ermittlungen machen : „Dafür ist jetzt die Polizei zuständig.“ Dort stand fest: Goetjes hat das Geld der Grünen unter kriminellen Umständen abgehoben. Denn laut Landesfinanzordnung der Grünen hätte Goetjes die Zustimmung eines Mitglieds der Landesführung gebraucht. Die Ermittler gehen nach PNN-Informationen jedenfalls nach Sichtung der Bankunterlagen davon aus, dass es sich bei der krakeligen Unterschrift unter dem Abhebungsformular um die Unterschrift des Ex-Schatzmeisters handelt.

Die Grünen legten am Freitag Wert auf die Feststellung, dass „ein Bankverschulden zu keinem Zeitpunkt vorlag“. Um sich aber nun dagegen zu schützen, dass jemand ungerechtfertigt Geld abhebt, hat der Landesverband nun die Sicherheitsbestimmungen verschärft: Künftig müssen auch für Barabhebungen immer zwei Spitzen-Grüne bei der Bank erscheinen.

Zu Beginn kommender Woche treffen sich Grünen in Potsdam nun erst einmal zum Krisenrat. Dort soll dann eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden, die alle Kontenbewegungen der ersten beiden Monate des Jahres 2011 sowie die reguläre Kassenprüfung des Jahres 2010 vornehmen soll.

Auf der Krisensitzung will der Landesvorstand dann auch zumindest eine der beiden Lücken schließen: Auch wenn das Geld noch woanders ist, zumindest einen neuen – kommissarischen – Schatzmeister wollen die Grünen einsetzen.

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