Brandenburg: Mit Wehmut im Rampenlicht Wowereit auf Abschiedstour
Berlin - Amanda Lear war schon da, mit Sonnenbrille. Auch Natascha Ochsenknecht, mit pinkfarbenem Lippenstift.
Stand:
Berlin - Amanda Lear war schon da, mit Sonnenbrille. Auch Natascha Ochsenknecht, mit pinkfarbenem Lippenstift. Es ist der ganz normale Hauptstadtrummel bei der Berliner Gala „Künstler gegen Aids“. Aber etwas ist diesmal anders: Stammgast Klaus Wowereit hat einen seiner letzten Blitzlicht-Termine. Im Dezember hört der 61-Jährige nach 13 Jahren als Regierender Bürgermeister auf. Sein Nachfolger soll sein SPD-Kollege und Stadtentwicklungssenator Michael Müller werden, verheirateter Familienvater mit zwei Kindern und bislang außerhalb der Hauptstadt wenig bekannt.
Mit den Berlinern und Klaus Wowereit ist es so: Erst meckerten alle über ihn, der bräsig wie ein Kater im Rathaus sitze und nicht einmal eine Flughafen-Eröffnung hinkriege. Jetzt mögen sie ihn wieder – zumindest, wenn es nach den Schlagzeilen geht. „Und er war gut so“, titelte das Stadtmagazin „Zitty“. Das schwul-lesbische Blatt „Siegessäule“ fragte bang: „Wie schwul ist Michael Müller?“ Man könnte auch fragen: Jetzt kommt ein Normalo, wird Berlin langweilig?
Nach seinem spektakulären Outing mit den Worten „Ich bin schwul, und das ist auch gut so“ hat Wowereit in der Szene ein Heimspiel. Das Schwule Museum in Berlin wird ihm als Galionsfigur eine Sonderausstellung widmen.
Die Abschiedstournee geht weiter. Am Dienstagabend gab es beim letzten Dinner mit früheren und aktuellen Senatskollegen im Roten Rathaus Gans, ebenso am Mittwochabend mit Landes-Korrespondenten. Am Samstag gibt Entertainerin Gayle Tufts im Tipi-Zelt am Kanzleramt einen Empfang für Wowereit. Die Amerikanerin wird nicht nur Wowereits hübsche Bodyguards vermissen. „Er hat die Offenheit und Toleranz, die er sich für diese Stadt wünschte, selbst gelebt“, sagt Tufts. Wowereit sei schon in ihre Shows gekommen, als ihn noch niemand kannte und habe nie nach Freikarten gefragt.
Seit 2001 schaffte es Wowereit stattliche 343 Mal in das Namensregister der „Bunten“. Chefredakteurin Patricia Riekel findet, Wowereit sei für das wiedervereinigte Berlin ein Glücksfall gewesen, jedenfalls gesellschaftlich. „Er hat Berlin zu einer Stadt gemacht, die von Kontrasten lebt, die leuchtet, auch wenn neben all dem Glanz viele soziale Probleme nicht gelöst werden konnten.“
Wowereit, der pampig sein kann, wirkt in diesen Tagen aufgekratzt. Wie groß der Anteil des roten Teppichs am Leben als Regierungschef war? Typisches kieksendes Kichern. „0,01 Prozent.“ Fun Fact: In die gleiche Anzuggröße wie zu Beginn der Amtszeit passt er nicht mehr. „Ich bin da wie ein Baum, der kriegt auch Jahresringe.“ Seine Pläne verrät er nicht. Während sich Wowereit die Mikrofone entgegenrecken, steht hinter ihm sein Freund Jörn Kubicki (49). Dessen Blick scheint zu sagen: „Nicht schlimm, dass der Rummel bald vorbei ist.“ Caroline Bock
Caroline Bock
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: