
© Amin Jymi, Barcomi und Ingo Gebhardt/promo
Eat Berlin Festival: Mosers Schlemmerwochen
Er ist Weinfachmann, Feinschmecker und Veranstalter des erfolgreichen Gourmet-Festivals „Eat Berlin“: Ein Österreicher mit ostdeutschen Wurzeln bringt Spitzenköche und Genießer zusammen
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Eigentlich wollte Bernhard Moser einen Club gründen für Feinschmecker und Genießer. Aber in einer langen Nacht mit Freunden und etlichen Flaschen Wein wurde daraus das Feinschmeckerfestival „Eat! Berlin“. Das geht vom 26. Februar bis zum 6. März in die fünfte Runde.
Wie alles begann, erzählt Bernhard Moser in seiner Weinschule, die sich in einem 300 Jahre alten denkmalgeschützten Haus in der Wilmersdorfer Straße befindet. Stolz zeigt er den Kriechkeller, in dem früher Kohlköpfe lagerten, die Küche, von deren offenem Feuer aus das ganze Haus beheizt wurde, den Garten und den Anbau, in dem er seine Weinseminare für 10 bis 34 Leute abhält. Es ist ein bisschen schummrig, weil die blauen Wände Licht schlucken, und kühl, aber das bekommt dem Wein. Dackel Anton hat sich schon in eine Decke gekuschelt.
Moser ist ein Genussexperte mit vielen Facetten, was seine Wurzeln nicht nahelegen. Denn er stammt von allerfeinstem sozialistischem Adel ab. Darüber könnte sein weicher Salzburger Akzent fast hinwegtäuschen. Hinter ihm hängt ein großes Bild, eine Berlin-Ansicht mit Fernsehturm. Den hat sein Großvater gebaut, der einstige Chefarchitekt des Berliner Magistrats, Hermann Henselmann, der auch die Karl-Marx-Allee und das Haus des Lehrers entworfen hat. Dessen Tochter, Bernhard Mosers Mutter, hatte sich in einen österreichischen Bautechniker verliebt, der in West-Berlin arbeitete. Die beiden heirateten in Pankow. 1965 durfte die Mutter auswandern nach Österreich, musste aber versprechen, nie in die BRD überzusiedeln. An dieses Versprechen fühlte sie sich lebenslang gebunden, hatte im Salzburger Land sowieso immer Heimweh nach der DDR.
Für Bernhard Moser gab es in seiner Heimat zwei mögliche Berufswege: Landwirtschaft oder Tourismus. Er entschied sich für Letzteres, wurde Patissier und half schon mit 17 Jahren bei der Erringung eines Michelin-Sterns. Das war 1990, das Jahr, in dem er zum ersten Mal nach Berlin kam. Er verliebte sich sofort in die Stadt, verbrachte fortan seine Urlaube hier. Und das, obwohl der Großvater keineswegs ein gemütlicher Opa war. „Die Treffen mit ihm glichen immer eher einer Audienz.“ Der Großvater war sehr erbost darüber, dass auf seinem Haus in der Wallstraße ein Coca-Cola-Schild montiert wurde und verbat der Familie, von der Brause des einstigen Klassenfeindes zu trinken. Die Familie ist groß, 47 Cousins und Cousinen zählt er, darunter die Schauspielerin Anne-Sophie Briest.
Nachdem das österreichische Hotel, in dem Moser sich lange zu Hause gefühlt hatte, in die Insolvenz ging, kamen die Wanderjahre mit Beraterjobs unter anderem für Wiener Kaffeehäuser.
Im Jahr 2002 landete er schließlich in Berlin. Endlich. Im Restaurant Harlekin hatte er sein kulinarisches Erweckungserlebnis. Unterdessen hatte er sich weitergebildet, war Food & Beverage-Manager, Diplom-Sommelier und hatte nebenbei BWL studiert. Er beriet eine Bank in Fällen, in denen „Kredite bei Gastronomen brannten“, so ein bisschen nach der Art von Rach, dem Restauranttester, indem er die Konzepte analysierte. Als er seine Weinschule gründete, hatte er ursprünglich an Gastronomen als Kunden und Schüler gedacht. Und musste lernen, „dass die oft beratungsresistent sind“. Stattdessen meldeten zunehmend Endverbraucher Interesse an. Sie schätzen die private Atmosphäre, mal in einer reinen Weinprobe, nur mit Wasser und Brot. Mal gibt es Käse dazu, und manchmal kocht der Chef auch ein Degustationsmenü. Das kostet zwischen 74 und 89 Euro pro Person.
Als er den Genussclub gründen wollte, dachte er ursprünglich an gemeinsame Weinproben und vergünstigte Feinschmeckererlebnisse via Clubausweis. Die Nacht mit den Freunden brachte dann stattdessen das Festival, das 2011 an den Start ging.
Die ersten beiden Jahre seien sehr schwierig gewesen, resümiert er. Aber er lernte stetig dazu. Das Festival war schon kurz vor dem Ende, als er 2012 mit seiner Frau Sina, einer gelernten Hotelkauffrau, 90 Prozent der Anteile übernahm. Die kurzen Entscheidungswege halfen, die „Eat! Berlin“ kostendeckend zu halten. „Knapp 100 000 Euro haben wir allerdings verloren.“ Die einzelnen Veranstaltungen sind auch diesmal schon gut gebucht. In der Astor Film Lounge etwa kombiniert Adlon-Star Hendrik Otto fünf Gänge mit fünf Filmen. Einen Sushi- und Sashimi-Abend mit Tim Raue oder auch eine Back-Begegnung mit Cynthia Barcomi sind Selbstläufer.
Bernhard Moser geht es darum, Genießer zu einem besonderen kulinarischen Erlebnis zu verführen, auch Schwellenängste abzubauen bei den Nachwuchsfeinschmeckern. Die Tickets enthalten sowohl Essen als auch Getränke, lassen sich also auch gut verschenken. Beim Trinken geht es nicht um ein Flat-Rate-Besäufnis, sondern um den puren, hochwertigen Genuss. Und der endet aus Mosers Sicht bei etwa anderthalb bis allerhöchstens zwei Flaschen Wein pro Abend. Zu zweit. Dafür ist es wichtig, dass eine Veranstaltung um Mitternacht endet.
Sorgenkind ist allenfalls der „Ball der Gastronomie“. Zwar hat sich schon vieles verbessert, die Organisation des Wareneinsatzes zum Beispiel, damit die Gäste auch wirklich satt werden, aber Raummiete, Hostessen und Fahrdienste verursachen Kosten, die schwierig zu decken sind, wenn ein Großteil der Teilnehmer aus eingeladenen statt zahlenden Gästen besteht.
Moser hält nichts von Küchenpartys, wo man sich anstellen muss. „Ich mag meinen Platz, mein Weinglas, eine Tischdecke.“ Die Zukunft des Festivals entscheidet sich jetzt. Bestenfalls wird es Tochter Anna mal übernehmen. Die ist gerade mal ein Jahr alt.
Tickets gibt es im Internet unter www.eat-berlin-festival.de
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