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Brandenburg: Müller betet für Steudtner

Berlins Regierender Bürgermeister bei Gottesdienst für inhaftierten Menschenrechtler

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Berlin - Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat die Türkei aufgefordert, den inhaftierten Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner freizulassen. Müller wollte am Montagabend einen Gottesdienst für Steudtner in der Gethsemanekirche besuchen. Dessen Festnahme sei ein „Akt der Willkür“.

In der evangelischen Kirche in Prenzlauer Berg wird bereits seit einer Woche während der Gottesdienste für das Mitglied der Gemeinde Prenzlauer Berg Nord gebetet. Die Inhaftierung Steudtners beschäftigt allerdings längst nicht mehr nur die Gemeinde: In den vergangenen Tagen hatten zahlreiche Politiker und Prominente die türkische Regierung kritisiert. „Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Verhaftung absolut ungerechtfertigt ist“, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gesagt.

Steudtner, der auch für kirchliche Organisationen tätig ist, wird in der Türkei vorgeworfen, terroristische Organisationen unterstützt und Spionage betrieben zu haben. Der Vater zweier Kinder hatte Anfang Juli ein Seminar zu IT-Management und Stress für die Menschenrechtsorganisation Amnesty International geleitet. Am 5. Juli wurde Steudtner festgenommen, als türkische Polizeieinheiten den Tagungsort stürmten. Seitdem sitzt er mit anderen Seminarteilnehmern in Untersuchungshaft. Diese kann nach türkischer Gesetzgebung bis zu fünf Jahre dauern.

„Wir dürfen nicht aufhören, von der türkischen Regierung die sofortige Freilassung zu fordern, damit Peter Steudtner wieder zurück kann, zurück zu seiner Familie, seinen Freunden und seiner Gemeinde, die hier in Berlin auf ihn wartet und für ihn betet“, erklärte Müller am Montag vor dem Gottesdienstbesuch.

Von derartigen Aussagen zeigte sich der türkische Präsident Erdogan bislang unbeeindruckt, er sieht in der vermeintlichen „Spionagetätigkeit“ Steudtners den Versuch, „gesellschaftliches Chaos“ in der Türkei anzurichten. Belege für ein derartiges Verhalten gibt es indes nicht, vielmehr fordern auch Menschenrechtsorganisationen die sofortige Freilassung. Die Vorwürfe gegen die Angeklagten seien laut Amnesty International „absurd“ und „ohne jede Grundlage“. Derzeit sitzen insgesamt noch neun Deutsche in der Türkei in Haft, unter ihnen auch der Journalist Deniz Yücel.

Innerhalb der Gemeinde hat die Verhaftung des aktiven Mitgliedes und bekennenden Christen Bestürzung ausgelöst. Dem Gemeindepfarrer Christian Zeiske macht die rege Beteiligung an den Gottesdiensten – nun sogar mit dem Regierenden Bürgermeister – jedenfalls Mut. „Als Christen können wir nur für Peter beten“, sagt Zeiske, der Steudtner als aktives Gemeindemitglied schätzt.

Die Situation in der Gethsemanekirche erinnert derzeit ein wenig an das Jahr 1989; damals agierte die Gemeinde als zentraler Akteur im Widerstand gegen das DDR-Regime – und war damit letztendlich erfolgreich. Mit der recht offensichtlichen Parallele ging man in der Gemeinde zunächst zurückhaltend um, zu groß seien die Unterschiede. Nun weist man offen darauf hin. Damals wie heute lautet das Motto gegen die Repression „Wachet und betet“, angelehnt an eine dem Matthäusevangelium entnommene Passage. Mit der Fürbitte, einem eigentlich kleinen Bestandteil des Gottesdienstes, sollen nun regelmäßig die Wünsche und Bitten für die Inhaftierten um Steudtner im Mittelpunkt stehen. „Peter Steudtner ist für uns dabei nicht nur politischer Aktivist, sondern einer von uns: ein Gemeindemitglied und ein Berliner“, sagt Zeiske. Felix Kessler

Felix Kessler

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