Brandenburg: „Nach 15 Jahren Gerechtigkeit erfahren“
Manfred Stolpe darf nicht mehr als Stasi-IM bezeichnet werden Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs löst unterschiedliche Reaktionen aus
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Potsdam - Als brandenburgischer Ministerpräsident, aber auch als Bundesverkehrsminister ist Manfred Stolpe durch viele Höhen und Tiefen gegangen. Am Dienstag hat der 70-jährige SPD-Politiker vielleicht seinen größten Sieg errungen. Der Berliner CDU–Politiker Uwe Lehmann-Brauns wird nicht mehr behaupten, dass Stolpe ein Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi (IM) war. „Nach 15 Jahren Freiwild für alle Verleumdungen habe ich nun Gerechtigkeit durch die höchsten deutschen Gerichte erfahren“, sagte Stolpe gestern dieser Zeitung.
Wie berichtet hatte der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag in Karlsruhe den mehr als zehn Jahre alten Rechtsstreit um Stasivorwürfe gegen Stolpe mit dem Einverständnis aller Beteiligten endgültig abgeschlossen. Dabei ging es um eine Äußerung des Berliner CDU-Politikers Uwe Lehmann-Brauns, der 1996 im Fernsehen sagte, Stolpe sei – „wie wir alle wissen“ – als „IM Sekretär über 20 Jahre im Dienste des Staatssicherheitsdienstes tätig“ gewesen.
Als ehemaliger Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg hatte Stolpe zu DDR-Zeiten Kontakte zum Ministerium für Staatssicherheit. Eine Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter bestritt er aber stets vehement und führte deswegen zahlreiche Prozesse. Die Verfassungsrichter gaben Stolpe im Jahr 2005 Recht und verwiesen den Fall an den BGH zurück, der die Äußerungen Lehmann-Brauns 1998 zunächst für zulässig erklärt hatte.
Uwe Lehmann-Brauns bestätigte gestern, dass er eine Erklärung abgegeben habe, in der es heißt: „Ich habe lediglich zum Ausdruck bringen wollen, der Kläger (Manfred Stolpe – d.R.) habe sich durch die von ihm eingeräumten 20-jährigen Kontakte dem Ministerium für Staatssicherheit dienstbar und damit nützlich erwiesen. Eine gesicherte Tatsachengrundlage für diese Behauptung fehlt.“
Für den Leiter der Gedenkstätte im ehemaligen Stasi-Zentralgefängnis Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, ist die Entscheidung des BGH eine „Katastrophe mit verheerenden Konsequenzen für die Aufarbeitung von DDR-Geschichte“. Es stelle nicht nur unter Verbot, Herrn Stolpe als IM zu bezeichnen, sondern zwinge jeden Journalisten, Buchautoren oder Politiker dazu, sich juristisch korrekt auszudrücken. „Bislang war eine Äußerung auch dann zulässig, wenn man sie unterschiedlich verstehen konnte, jetzt darf man sich nicht einmal mehr missverständlich ausdrücken“, klagte Knabe: „Beim Schreiben braucht man jetzt immer einen Anwalt.“
Stolpe sagte hingegen: „Das ist ein Musterurteil, mit dem die persönliche Würde gegen öffentliche Verleumdungen stärker geschützt wird. Im Übrigen zeigt sich einmal mehr, dass für eine Beurteilung der DDR-Vergangenheit nicht SchwarzWeiß-Malerei, sondern eine differenzierte und faire Betrachtung nötig ist.“
Ehemalige DDR-Bürgerrechtler wie Günter Nooke (CDU) und Stephan Hilsberg (SPD), die Stolpes Stasi-Kontakte stets kritisiert hatten, wollten sich gestern nicht zum Verfahren äußern. Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR, Marianne Birthler, sagte: „Mein Kommentar zu Stolpe war mein Rücktritt als brandenburgische Bildungsministerin im Jahr 1992“. Damals war Stolpe als Ministerpräsident ihr Vorgesetzter.
Der letzte DDR-Innenminister Peter- Michael Diestel (CDU) meinte hingegen: „Die höchsten deutschen Gerichte haben entschieden. Menschen, die das nicht akzeptieren, sind keine Demokraten.“
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