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Hans-Christoph Berndt, Vorsitzender der Brandenburger AfD-Fraktion, spricht in einer Sitzung des Brandenburger Landtages.

© dpa/Jens Kalaene

Nach 35-Prozent-Umfrage : Brandenburgs Verfassungsschutz verteidigt Hochstufung der AfD

Nach dem aktuellen Brandenburg-Trend liegt die extrem rechte AfD in der Wählergunst weit vorn. Der Verfassungsschutz hat eine klare Meinung zu der Partei.

Stand:

Die AfD, die nach dem neuesten Brandenburg-Trend mit 35 Prozent weit vorn stärkste Partei bleibt, ist für den Verfassungsschutz des Landes eine gesichert rechtsextremistische Partei. Diese Position vertrat Behördenchef Wilfried Peters am Donnerstag uneingeschränkt auf der ersten Brandenburger Demokratiekonferenz in der Berliner Landesvertretung. Das brandaktuelle Thema lautete: „Ostdeutsche Stimmungen und demokratische Verfasstheit“.

Er kündigte an, dass der Verfassungsschutz das rechtsextreme Personenpotential im Land in Folge der Hochstufung der AfD vom Verdachtsfall zur gesichert rechtsextremen Partei im nächsten Verfassungsschutzbericht ausweiten werde. 2024 zählte die Behörde laut Peters nach Schätzungen 3600 Personen zur rechtsextremen Szene, darunter auch 1400 Mitglieder der AfD – die Hälfte der Gesamtmitgliederschaft. Damals war die Partei noch ein „Verdachtsfall“. Für 2025 sieht das mit der AfD-Hochstufung laut Peters anders aus. „Wir werden die Zahlen entsprechend nach oben korrigieren, wenn wir im nächsten Frühjahr oder Frühsommer 2026 den nächsten Bericht herausgeben.“

Zugleich stellte sich der Verfassungsschutzchef hinter das Bildungsministerium und den Teltower Schulleiter, die unter Verweis auf die (noch nicht gerichtlich bestätigte) AfD-Hochstufung ein Schülerpraktikum in der AfD-Landtagsfraktion abgelehnt hatten. Es könne nicht sein, dass Parteien, die nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stünden, Teil der Schulbildung würden, sagte Peters. Die AfD-Landtagsfraktion mit einer Untergruppe gesichert rechtsextremer Abgeordneter schloss Peters ein.

AfD wäre mit 35 Prozent aktuell stärkste Kraft

Veranstalter der Konferenz: das staatlich-zivilgesellschaftliche Netzwerk „Tolerantes Brandenburg“, das die AfD in einer Regierung sofort auflösen will. Es war in der Nachwendezeit gebildet worden, als das Land von rechtsextremen Gewaltstraftaten erschüttert wurde. Staatskanzlei-Chefin Katrin Schneider bekräftigte die Regierungslinie, Extremismus nicht zu dulden oder schönzureden, sondern in einer Allianz aus starkem Staat und Zivilgesellschaft zu bekämpfen. Das sei der Unterschied zu den damaligen Baseballschlägerjahren, sagte Schneider.

Unmittelbar vor der Fachkonferenz war der jüngste repräsentative Brandenburg-Trend des RBB publiziert worden, nach dem die AfD aktuell mit 35 Prozent mit ausgebautem Abstand vor der seit 1990 regierenden SPD stärkste Kraft wäre, die auf 22 Prozent fällt. Zur Landtagswahl 2024 hatte die SPD mit Regierungschef Dietmar Woidke die AfD noch knapp geschlagen, mit 30,9 zu 29,2 Prozent.

Die CDU käme jetzt auf 14 Prozent (2024: 12), das BSW (13) stürzt nach den jüngsten Grabenkämpfen auf sieben Prozent. Die Linken mit aktuell neun und die Grünen mit fünf Prozent, die 2024 den Einzug verfehlten, wären wieder drin. Jeder zweite Brandenburger befürwortet Neuwahlen. Als potenzieller Nachfolger von Regierungschef Dietmar Woidke hat „Kronprinz“ René Wilke (SPD), erst seit ein paar Monaten Innenminister, mit einer Bekanntheit von 39 Prozent und einem Zufriedenheitswert von 20 Prozent bei den Wählern derzeit die besten Karten.

Peters Ankündigung, die Gesamtmitgliederschaft der AfD dem rechtsextremen Potenzial zuzurechnen, stand im Gegensatz zu zentralen Botschaften der Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach (Uni Hamburg), die angesichts der „Veränderungserschöpfung“ und „Misstrauensgesellschaft“ eindringlich für Differenzierung und Empathie, für eine Unterscheidung zwischen Populismus und Extremismus warb.

Auf der progressiven Seite sei es in Reaktion auf das Erstarken der AfD verbreiteter geworden, selbst populistisch zu werden, der affektiven Polarisierung zu verfallen, sagte Reuschenbach. Nötig sei es aber, im Diskurs Graubereiche zuzulassen, auf Skeptiker und Zweifler einzugehen, auf gefühlte Stimmungen. „Räume für Zweifel sind wichtiger denn je.“ Sonst hole man Menschen nicht mehr ab. „Sind 35 Prozent, die heute AfD wählen würden, alles Rechtsextreme? Das wäre vielleicht einfacher, aber so ist es nicht“, sagte sie.

Die SPD führt das Umfragetief vor allem auf den BSW-Zoff zurück. „So was geht immer mit der ganzen Regierung nach Hause“, sagte Generalsekretär Kurt Fischer. Für die Union gibt es aktuell ein „Regierungsvakuum in Brandenburg“, wie es Generalsekretär Gordon Hoffmann ausdrückte. „Das ist die Quittung für den Zustand der Koalition.“ Das BSW habe sich als Regierungsrisiko erwiesen, erklärte Landeschef Clemens Rostock für die Grünen. „Ministerpräsident Dietmar Woidke wirkt dabei eher wie ein zurückgezogener Zuschauer.“

Die Politikwissenschaftlerin Reuschenbach zeigte Verständnis für die Politik. Die Stimmung im Land führe inzwischen dazu, dass Politik keine Gruppe mehr zufriedenstellen könne, also „dass politische Entscheidungsträger nichts mehr richtig machen können“.

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