Brandenburg: Nach alter Tradition
Die jüdische Gemeinde in Frankfurt hat endlich ein Grundstück für einen eigenen Friedhof gefunden
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Frankfurt (Oder) - Es war der 22. Juni 1943, als die „Frankfurter Oderzeitung“ vermeldete, der Regierungsbezirk sei „judenfrei“. So steht es auf einer der großen Tafeln, die im Gebetsraum der jüdischen Gemeinde der Oderstadt aufgehängt sind. Borys Towbyn und Yosyp Vaysblat reden nicht viel, wenn sie durch das Haus ihrer Gemeinde führen. Aber man merkt dem religiösen Leiter Towbyn und dem Verantwortlichen für die Ausstellung, Vaysblat, den Stolz auf das an, was sie zustandegebracht haben: die Ausstellung der 600- jährigen Gemeindegeschichte, aber auch den feierlichen Gebetsraum in einer Jugendstilvilla im Frankfurter Zentrum, wo jetzt wieder eine eigene Thora-Rolle ruht.
Seit zehn Jahren gibt es wieder eine jüdische Gemeinde in Frankfurt. 220 Mitglieder hat sie mittlerweile. Fast alle sind aus Russland oder der Ukraine. Man fühle sich gut integriert, sagt Vaysblat. Eine der wichtigsten Dinge fehlte allerdings: eine Begräbnisstätte. Der Friedhof, auf dem die Frankfurter Juden jahrhundertelang ihre Toten begruben, liegt heute in Slubice und ist eine Gedenkstätte.
In Frankfurt hat die jüdische Gemeinde nun ein Grundstück von der Stadt gekauft. 16 Gemeindemitglieder seien in den vergangenen Jahren verstorben, sagt Borys Towbyn. Einige wurden in Berlin beerdigt oder in Potsdam auf dem jüdischen Friedhof. Andere wurden zur Bestattung sogar bis ins russische Sankt Petersburg gebracht. Aber es gebe auch Familien, die sich solch einen Aufwand nicht leisten können, sagt Towbyn: „Deren Tote liegen auf einem staatlichen Friedhof – das ist bitter und entspricht nicht der Tradition, aber es blieb keine Wahl.“
Mit dem Erwerb des Grundstückes sind die Frankfurter Juden noch nicht am Ziel. Die verwilderte Anlage muss gestaltet werden, Wasser-, Abwasser- und Stromleitungen müssen gelegt, Wege gebaut werden. Alles in allem wird das 156 000 Euro kosten. Wo das Geld herkommen soll, ist unklar. Im Kulturministerium ist das Anliegen bekannt, sagt Ministeriumssprecher Holger Drews, der darauf hinweist, dass laut Staatsvertrag 200 000 Euro jährlich aus dem Landeshaushalt an die jüdische Landesgemeinde fließen. Diese verteile dann das Geld an die Ortsgemeinden. Im Moment, sagt Drews, sei man mit der Stadt Frankfurt im Gespräch, wer welche Leistungen bei der Fertigstellung des Friedhofs übernehmen wird. 2011 soll er genutzt werden können. Andreas Wilhelm
Andreas WilhelmD
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