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Der Brandenburger AfD-Abgeordnete Steffen Königer: „Es ist nicht unerheblich, wen die Fraktion im Landtag empfängt und was sie damit zum Ausdruck bringen will."

© dpa

Landtag Brandenburg: Nach umstrittenen Besuch: Zerwürfnisse in der AfD-Fraktion

UPDATE: Ein ominöser Besuch von Unternehmern aus der Region hat für Streit innerhalb der Brandenburger AfD-Fraktion gesorgt. Der AfD-Abgeordnete Steffen Königer fordert Aufklärung, der Vize-Fraktionschef Andreas Kalbitz versteht die Aufregung nicht. Intern wird aber über noch mehr gestritten.

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Potsdam - Nun soll es auch in der brandenburgischen AfD-Fraktion Zerwürfnisse geben – zwischen dem rechtsnationalen und dem liberalen Flügel. Mehrere Abgeordnete opponieren nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung gegen die Stellvertreter von Fraktions- und Landesparteichef Alexander Gauland. Konkret gegen Andreas Kalbitz und gegen die parlamentarische Geschäftsführerin der AfD-Fraktion, Birgit Bessin, die beide Vize-Chefs im Landesverband sind. 

Grund ist ein Besuch von Geschäftsleuten bei der AfD-Fraktion vor zwei Wochen. Eine Mitarbeiterin des Landtags schlug bei der Verwaltungsspitze des Parlaments Alarm, weil sei bei den Bodyguards Pistolenhalfter entdeckt haben will. Denn Waffen sind im Potsdamer Landtagsschloss verboten. 

Von angsteinflößenden, breitschultrigen Herren in dunklen Anzügen war die Rede, so war es auch dem AfD-Abgeordneten Steffen Königer von Mitarbeitern berichtet worden: Die Männer hätten wie Zuhälter gewirkt. Zu Gast war der Trupp bei Kalbitz, Bessin und dem Fraktionsreferenten Steffen Kotré, der auch Chef der brandenburgischen AfD-Mittelstandsvereinigung ist. Als die Landtagsverwaltung den Besuch überprüfen wollte, war der aber schon wieder weg. 

Vier AfD-Abgeordnete forderten Aufklärung über den Besuch

Vier der zehn AfD-Abgeordneten hatten wegen des Vorfalls eine Sondersitzung der Fraktion beantragt und Aufklärung über den Besuch gefordert. Zwei weitere Abgeordnete haben laut Königer für den Antrag zumindest Sympathien gezeigt. Das führte am gestrigen Montag dazu, dass die Nachricht die Runde machte, sechs der zehn Abgeordneten würden gegen Kalbitz und Bessin rebellieren. Aber ein Antrag ist noch keine Rebellion. Jedenfalls lässt sich das durch Nachfragen bei den Abgeordneten nicht bestätigen.

Bislang ist über den ominösen Besuch vor zwei Wochen wenig bekannt. Demnach handelt es sich um den Logistikunternehmer Torsten Junker, der bei der AfD in Teltow-Fläming – in Bessins Wahlkreis – aktiv ist. Dabei sollen aber auch Deutsch-Albaner aus der Logistik- und Gastronomie-Branche mit ihren Bodyguards gewesen sein. Sie sollen Lokale in Berlin und Potsdam führen. Als Anlass war Königer und den anderen Abgeordneten erklärt worden, dass die AfD Restaurants suche, in denen sie sicher tagen könne, in denen sie nicht von Linken gestört oder der Antifa angegriffen werde.

Nähere Informationen gab es bei der Sondersitzung der Fraktion am vergangenen Donnerstag nicht. Königer drängt deshalb auf Aufklärung. „Es ist nicht unerheblich, wen die Fraktion im Landtag empfängt und was sie damit zum Ausdruck bringen will“, sagte Königer. „Das ist vorher nicht abgestimmt worden und auch nicht aufgeklärt worden, was dieser Besuch mit der Fraktionsarbeit zu tun hat.“ Der Abgeordnete Franz-Josef Wiese warnte, die AfD könne sich nicht die „albanische Mafia“ ins Haus holen. Für Königer ist nun klar: „Ich habe kein Vertrauen mehr zu dieser Führung.“

Königer: Die AfD könne sich nicht die "albanische Mafia" ins Haus holen

Für Königer reiht sich der Besuch ein in eine Reihe von Vorfällen, die „gar nicht gehen“. Etwa als nach PNN-Recherchen im Frühjahr herauskam, dass im Landesvorstand des AfD-Nachwuchses „Junge Alternative“ ein früheres NPD-Mitglied saß – der trotz des Banns der Parteispitze gegen Neonazis auch noch von Bessin und Kalbitz mit Steuergeld als Hilfskraft beschäftigt wurde. Dazu gehört auch Kalbitz’ Vorsitz in einem von Alt-Nazis und Neonazis getragenen Kulturverein, der spät bekannt wurde und den er erst auf öffentlichen Druck 2015 niederlegte. Es ist nicht irgendein Verein.

Sein Gründer war Waldemar Schütz, einst Angehöriger der Waffen-SS und Hauptsturmführer der Leibstandarte Adolf Hitler, nach dem Zweiten Weltkrieg rechtsextremer Verleger und Mitglied im Bundesvorstand der NPD. Schütz war maßgeblich am Aufbau der rechtsextremistischen Nachkriegsstrukturen beteiligt. Zweck des Vereins war klar die Umdeutung der deutschen Geschichte. Kalbitz’ braune Vergangenheit war nach dem Einzug der AfD in den Landtag vor einem Jahr nur Stück für Stück herausgekommen. Dazu zählt auch die Mitgliedschaft bei den Republikanern, als die noch vom Verfassungsschutz beobachtet wurden, und mehreren rechtsextremen Netzwerken und Vereinigungen. So hatte er 2001 eine NPD-nahe Gruppe für ihren „oftmals aussichtslos scheinenden Kampf gegen den kulturellen und völkischen Tod auf jahrtausendealtem deutschen Kulturboden“ gewürdigt.

Kalbitz gibt sich gelassen

Kalbitz, einst Fallschirmjäger bei der Bundeswehr, nun Gaulands Kronprinz, sieht keinen Grund für die Aufregung über den Besuch. Auf PNN-Anfrage gab er sich demonstrativ gelassen. „Es gab keine Waffe, keine Mafiosi, keinen Vorgang im Landtag“, sagte Kalbitz den PNN. Es sei bei der Sondersitzung der Fraktion am vergangenen Donnerstag, bei der er selbst nicht dabei war, alles geklärt worden. Dabei hätte auch kein Bedarf für eine Fortsetzung bestanden. Die AfD-Fraktion werde weder auseinanderfliegen noch der Vorstand wechseln. Auch werde er interne Angelegenheiten der Fraktion nicht in der Presse kommunizieren. 

Königer sieht das anders – und weiteren Gesprächsbedarf, zumal sich auch Fraktionschef Alexander Gauland in den Urlaub verabschiedet hat. Königer fordert, am kommenden Dienstag müsse es weitere Aufklärung geben. „Das ist eine Sache, die die ganze AfD angeht“, sagte Königer.

Sollte Gauland in den Bundestag wechseln, hätte Kalbitz freie Bahn

In der Fraktion wird nun kolportiert, Königer habe den Streit nur angezettelt, weil er in den Bundestag wolle. Königer bestreitet das. Sein Job sei im Landtag, sagte er. Kalbitz will sich bis Jahresende entscheiden, ob er für den Bundestag kandidiert. Gauland will in den Bundestag und wird vermutlich in Frankfurt (Oder) als Direktkandidat antreten. Womöglich geht es bei der AfD auch schon um die Zeit danach. Sollte Gauland in den Bundestag wechseln, hätte Kalbitz freie Bahn, zwei Jahre lang, bis zur Landtagswahl 2019.

Auch ein Nachrücker steht schon fest für die Wechsel in den Bundestag: Es ist der Chef der Uckermark-AfD, der 41-jährige Jan-Ulrich Weiß, der bereits kurz nach der Landtagswahl fast in den Landtag gekommen wäre. Er war wegen eines antisemitischen Posts bei Facebook wegen Volksverhetzung angeklagt. Nach einem Freispruch am Amtsgericht Prenzlau hat die Staatsanwaltschaft bereits angekündigt, Rechtsmittel einzulegen. Gauland hatte 2015 versucht, Weiß deshalb aus der Partei zu werfen, was aber vor dem AfD-Bundesschiedsgericht scheiterte.

Königer wetterte gegen die „Antisemitismuskeule"

Schon einmal hatte es Königer gegen Kalbitz versucht, das war Ende 2015, als er beim Landesparteitag Vize-Vorsitzender der Landespartei werden wollte. Königer, der mit dem Signet „konservativ mit einer liberalen Ader“ antrat, beklagte, dass Parteikollegen den Unterschied zwischen national und völkisch nicht verstehen, verlor haushoch gegen Kalbitz – den Völkischen. Wobei auch Königer weiß, wie man die Klaviatur am rechten Rand spielt. Als Autor wetterte er gegen die „Antisemitismuskeule“ und beklagte, dass öffentlich-rechtliche Sender am 8. Mai „ihr Programm fast vollständig auf 1945“ einstellen: „Hitler hier, Befreiung dort, Holocaust überall.“ Gegenüber den PNN hatte Königer vor der Landtagswahl sein Interesse für NS-Bücher aus dem „Giftschrank“ bekundet.

Insgesamt gelten laut einer Studie sieben Mitglieder der zehnköpfigen AfD-Fraktion als „rechtsaffin“ und waren Mitglied in „diversen rechten, rechtspopulistischen oder rechtsextremen Kleinparteien“. Bei der Landtagswahl 2014 zog die AfD mit 12,2 Prozent in den Landtag ein, in Umfragen liegt sie derzeit bei 20 Prozent. Der Abgeordnete Wiese stellte im Frühjahr resigniert fest: „Ich glaube, die meisten AfD-Wähler wissen gar nicht, was für Leute bei uns sind. Ich habe es selbst erst später erfahren.“

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