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Brandenburg: Nachts fliegen die Steine

Mehr als 40 Angriffe auf Geschäftsstellen der Linkspartei in Brandenburgs Städten seit 2008

Von Frank Jansen

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Potsdam - Es war ein Wochenende im September 2009, die Täter steuerten gezielt das Büro der Linkspartei in Nauen an. Sie schmierten Hakenkreuze auf die Fenster und ritzten in eine Scheibe die Zahl 88, in der rechten Szene eine Chiffre für „Heil Hitler“. Die Angreifer pappten an die Fassade auch zahlreiche Aufkleber mit dem Schriftzug „Nationale Sozialisten“. Günter Patzwald, Vizechef der Linken in Nauen, stöhnt noch heute, „die Aufkleber haben wir mühsam entfernt“. Im Dezember ging es weiter, wieder prangten Hakenkreuze und Aufkleber an der Gebietsgeschäftsstelle der Partei. Er habe „ein mulmiges Gefühl“, sagt Patzwald, zumal die Polizei keine Täter ermitteln konnte.

Die Angriffe sind Teil einer Serie in Brandenburg, die vor allem die Linke trifft. Seit 2008 gab es 41 Attacken auf Büros der Partei in 19 Städten, wie der Potsdamer Verein „Opferperspektive“ recherchiert hat. Dessen Mitglieder setzen sich mit rechtsextremer Gewalt auseinander und nahmen die vielen Angriffe auf Büros demokratischer Parteien in Mecklenburg-Vorpommern (29 seit Anfang 2009) zum Anlass, in Brandenburg nachzufragen. In der Liste des Vereins, die dieser Zeitung vorliegt, sind zwölf Vorfälle aus 2008 eingetragen, 18 für 2009 und schon elf für dieses Jahr.

Am härtesten getroffen wurde die Kreisgeschäftsstelle der Linken in Königs Wusterhausen. Bei sieben Angriffen seit März 2009 wurden Fenster zerstört, ein Computer beschädigt sowie Scheiben und Fassade mit Farbe beschmiert. „Wir haben Verbundglasscheiben eingebaut, aber die sind inzwischen auch durch Steinwürfe gesplittert“, sagt Geschäftsführerin Stefanie Schirner, „das bleibt jetzt so, wir können uns keine neuen Scheiben mehr leisten.“

Je vier Angriffe richteten sich gegen die Gebietsgeschäftsstellen in Pritzwalk und Wittstock. Silvester 2008 wurde beim Parteibüro in Kyritz eine Scheibe durch zusammengebastelte Böller gesprengt, am Jahresende 2009 geschah das Gleiche bei der Geschäftsstelle in Forst. In Neuruppin sprühten Unbekannte ein Bürofenster mit brauner Farbe zu, an dem ein Plakat mit der Aufschrift „Nazis raus“ hing.

„Es ist erschreckend“, sagt Maria Strauß, Landesgeschäftsführerin der Linken, „aber wir stecken nicht auf“. Die Angriffe ängstigten jedoch vor allem ältere Parteimitglieder, die ehrenamtlich in den Büros tätig sind. Außerdem sei ihr kein Fall bekannt, in dem die Polizei Täter ausfindig machen konnte, sagt Strauß. Sie geht davon aus, dass die Angreifer überwiegend aus der rechten Szene stammen.

Das Innenministerium sagt, das Landeskriminalamt habe 2009 elf rechte Angriffe auf Büros der Linken gemeldet sowie eine linke Attacke auf eine Geschäftsstelle der DVU. In diesem Jahr seien vier rechte Übergriffe auf Büros der Linken registriert worden. Meist habe es sich um Sachbeschädigung gehandelt. Offen bleibt, ob die Polizei weitere Angriffe feststellte und als unpolitisch eingestuft hat.

Die SPD berichtet von „vereinzelten Schmierereien“ an ihren Büros, bei der CDU ist von „unter zehn Vorfällen“ seit Anfang 2009 die Rede. FDP und Grüne blieben bislang verschont.

Die Linke wird auch in Berlin bedrängt. Erst am vergangenen Wochenende klebten mutmaßliche Neonazis ein NPD-Plakat an ein Fenster von Gregor Gysis Wahlkreisbüro in Treptow. 2009 flogen dreimal Steine in die Scheiben. Frank Jansen

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