zum Hauptinhalt

Von Alexander Fröhlich: Nachwuchs-Genossen bringen sich in Stellung

Die SPD-Führung zieht für den Landesparteitag Bilanz für 20 Jahre – und die Jüngeren begehren auf

Stand:

Potsdam – Für die SPD im Land Brandenburg soll es ein Jubelparteitag werden. Mit „Stolz und Selbstkritik“ wollen die Sozialdemokraten am 12. Juni in Velten (Oberhavel) auf die vergangenen 20 Jahre zurückblicken, in denen sie das Land in verschiedenen Konstellationen ununterbrochen regiert haben. Doch die SPD hat massive Nachwuchssorgen, es gibt zu wenig Frauen und mögliche Führungskräfte. Selbst SPD-Landeschef und Ministerpräsident Matthias Platzeck spricht von Problemen in der „Bestenauslese“. Jüngere Genossen begehren nun auf, erheben selbst Anspruch auf Führungsposten. Sie wollen die Partei mit Blick auf die Landtagswahl 2014 inhaltlich und personell breiter aufstellen – auch wegen des erwarteten Abgangs Platzecks.

Juso-Landeschef Sören Kosanke (33) hat dazu am Montag ein gemeinsam mit Nachwuchskräften wie dem Potsdamer Unterbezirkschef Mike Schubert und anderen verfasstes Papier im Landesvorstand vorgelegt, das eine schonungslose Bestandsaufnahme fordert. Sie wollen es zwar nicht als Angriff auf den engeren Führungszirkel um Platzeck verstanden wissen, bringen sich jedoch für den Generationswechsel in Stellung. Denn der Juso-Chef geht die Zukunftsfrage der SPD schlechthin an: Was wird aus der Partei angesichts alternder Mitglieder und wachsender Not bei der Kandidatenauswahl in der Fläche?

Platzecks selbst hatte nach den für die SPD enttäuschenden Landratswahlen, bei denen Parteilose punkteten, eine Bilanz gefordert. Das Kosanke-Papier warnt davor, zu viele Nicht-Mitglieder bei Wahlen aufzustellen. Die Partei sei dadurch nicht mehr erkennbar, Mitglieder, die die interne Ochsentour hinter sich haben, würden demotiviert. Derlei Defizite räumten am Dienstag selbst Platzeck und Generalsekretär Klaus Ness ein. Engagierte Mitglieder dürften bei der Ämtervergabe nicht zu häufig hinter Quereinsteigern zurückstehen, sie bräuchten eine Perspektive, so Platzeck.

Die Kosanke-Gruppe geht jedenfalls auf Distanz zum Dunstkreis um SPD-Generalsekretärs Klaus Ness. Der setzt in einem eigenen Papier „SPD Brandenburg 2020 plus“ auf eine ausgesuchte Truppe von 35 Nachwuchskadern aus den Unterbezirken, für die es ein Mentorenprogramm und Kamingespräche mit dem Ministerpräsidenten geben soll. Zugleich plant Ness eine Mitgliederwerbekampagne, für die Kommunalwahl 2014 werden Kandidaten gesucht.

Fest steht, ein Viertel der 6 500 märkischen Genossen sind unter 40 Jahre alt, jeder zweite ist zwischen 41 und 60 Jahre alt, ein Drittel gehört zur Generation 60 plus. Auf dem Land fehlen wählbare Kandidaten für die verschiedensten Posten wie Bürgermeister, Stadtverordnete, Gemeindevertreter. Und es kommt noch schlimmer: Nach heutigem Mitgliederstand sind 2020 mehr als zwei Drittel über 50 Jahre alt, mehr als die Hälfte sogar über 60. Mit dieser Personalnot könne die SPD nicht ihrem Anspruch als Regierungspartei gerecht werden, so Kosanke. Daher drohe ein nachhaltiger Verlust der „Deutungshoheit gesellschaftlicher und politischer Prozesse“. Bei vielen langjährigen Funktionären zeigten sich bereits „Verschleißerscheinungen“. Gegensteuern will Kosanke mit einem Qualifizierungsprogramm, Jüngere sollen stärker mit politischen Ämtern bedacht und geschult werden.

Beide Papiere sollen nun zusammengeführt werden: Ness, Vize-Landeschefin Klara Geywitz und Kosanke wollen bis Anfang Juni ein Konzept vorlegen, um mehr junge Leute und Frauen in die Partei zu holen. Tatsächlich bringt sich Kosanke mit dem Papier selbst als Führungskraft ins Gespräch. Anfang Mai will er den starken SPD-Unterbezirk Potsdam-Mittelmark als Vorsitzender übernehmen, im September holte er das Direktmandat in Teltow, in der SPD-Landtagsfraktion ist er nun Wirtschaftsexperte.

Derweil hat der Landesvorstand einen Leitantrag für den Parteitag vorgelegt, eine Bilanz für 20 Jahre Regierungsarbeit. Brandenburg sei selbstbewusstes Land mitten in Europa geworden, sagte Platzeck, der den Aufbau einer märkischen Identität als Erfolg für SPD verbucht. Der frühere Ministerpräsident Manfred Stolpe und die 2001 verstorbene ehemalige Sozialministerin Regine Hildebrandt hätten als prägende Personen der Aufbaujahre maßgeblich Anteil daran. Stolpe soll in Velten als Redner auftreten. Schließlich will die SPD mit sich ins Reine kommen, der Leitantrag räumt in Bezug auf die anhaltende Stasi-Debatte Defizite in der DDR-Aufarbeitung ein. „Wir wollen ein mit sich selbst versöhntes Brandenburg“, so Platzeck. Es gehe um einen ehrlichen Umgang mit der Vergangenheit, jeder Mensch verdiene aber auch eine zweite Chance. Ausdrücklich hält sich die SPD die Berufung der ersten Aufarbeitungs-Beauftragten des Landes und die Einsetzung der Enquetekommission des Landtages zugute. Dabei waren es die Grünen, die die Kommission initiiert hatten. Grünen-Chefin Annalena Baerbock erinnerte gestern daher daran, dass sich die SPD-Fraktion bei der entscheidenden Abstimmung über die Einsetzung der Kommission der Stimme enthalten habe: „Die Enquetekommission wurde mit den Stimmen der Opposition und gerade nicht mit denen der Regierung eingerichtet.“

CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski attestierte der SPD eine „verschobene Wahrnehmung, da sie sich undifferenziert alle positiven Entwicklungen allein zuschreibe.

Denn unter dem Slogan „Wir in Brandenburg" zählt die SPD ihre Erfolge auf: den Aufbau von Hochschulen, den Stadtumbau, den Kampf gegen Rechtsextremismus, den Erhalt als Energieexporteur und von Agrarstrukturen. „Brandenburg ist in guter Verfassung“, stellen die Verfasser fest. Und Platzeck attestiert der SPD Lernfähigkeit. „Heute sehen wir klarer“ heißt es zu den Fehlern. Die Bildungspolitik sei nicht von Beginn an Schwerpunkt gewesen, der demografische Wandel unterschätzt, daher die Verkehrsinfrastruktur und Kläranlagen teils überdimensioniert. „Für diesen Irrtum der frühen Jahren zahlen wir heute unter anderem mit hohen Abwassergebühren“. In der Wirtschaftspolitik sei man zugunsten Regionaler Wachstumskerne davon abgerückt, große neue Industrieprojekte anzusiedeln.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })