
© Peter Kneffel/dpa
Kinderporno-Händler vertickt Material von Kindern aus Brandenburg: „Nacki-Club“ im Havelland
Mit dem Fall Edathy geriet der Kinderporno-Händler Azov ins Visier der Ermittler. Azov soll mehr als 30 Filme vertrieben haben, die Brandenburger Kinder zeigen. Sie stammen von einem verurteilten Pädophilen.
Stand:
Potsdam - Es ist eine schockierende Geschichte über den nachsichtigen Umgang der Justiz mit einem mehrfach verurteilten Pädophilen. Es ist auch eine Geschichte über die Verbreitung von in Brandenburg gedrehten Kinderpornos im Internet. Und darüber, wie die Opfer noch heute mit ihrem Jahre zurückliegenden Missbrauch konfrontiert werden.
Wie der „Spiegel“ unter Berufung auf Justizakten aus Kanada und Deutschland berichtet, hat der kanadische Kinderpornohändler Azov, zu deren Kunden der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy zählte, auch Aufnahmen aus Brandenburg im Internet verkauft. Bei Bekanntwerden des Falls Edathy vor einem Jahr war noch die Rede davon, dass zahlreiche Kinderpornos, die Azov anbot, in armen Regionen Osteuropas gedreht worden seien. Dort, wo es Männern mit Geld ein Leichtes war, Jungs gefügig zu machen. Doch die Ermittler stießen auch auf Material aus Brandenburg.
Verurteilter Pädophiler lebt in Brandenburg
Nach Durchsicht von Akten aus Kanada und Deutschland berichtet der „Spiegel“, dass in mehr als 30 Filmen des im November 2013 zerschlagenen Kinderporno-Anbieters Kinder aus Brandenburg zu sehen waren. Zahlreiche Filme sollen legal sein, doch einige von kanadischen Ermittlern gefundene Szenen wurden dem Bericht zufolge als eindeutig kinderpornografisch eingestuft. Noch unklar ist, wie das illegale Material ins Internet gelangte. Es befindet sich inzwischen auf russischen Internetseiten.
Gedreht wurden die Filme dem Bericht zufolge von einem aus Berlin stammenden, mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilten Pädophilen. In der Kinderpornoszene war er weltweit unter dem Pseudonym „Thomas Leroy“ bekannt geworden; er lebt noch immer in Brandenburg. Entstanden sein sollen die Filme im Umland von Berlin.
Thomas Leroy war dem Bericht zufolge in Berlin als Versicherungsangestellter und ehrenamtlich als Fußball-Jugendbetreuer tätig. 1991 war er wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Im Jahr 2000 zog er – noch auf Bewährung – in ein Dorf im Havelland und nannte sich Marco. Er lernte Jungen aus der Gegend im Alter von 10 bis 13 Jahren kennen, lockte sie mit Geld, sie machten Gartenarbeit – nackt. Wenige Monate später, als eine Mutter die Polizei einschaltete, stießen Beamte bei ihm auf Filme mit den Kindern, nackt im Garten, im Pool, bei der Selbstbefriedigung, mit einem Dildo.
Täter lockte Jungs aus sozial schwachen Familien mit Geld
Die Justiz hätte Thomas Leroy dem „Spiegel“ zufolge stoppen können. Doch hinter Gitter musste er nicht, das Amtsgericht Nauen verhängte im Sommer 2001 zwei Jahre auf Bewährung gegen ihn – obwohl er bereits in seiner Berliner Zeit Kinder bei eindeutig sexuellen Handlungen gefilmt hatte. Das Gericht hielt ihm zugute, dass er ohne Gewalt und Drohungen gegen die Kinder gehandelt habe.
Für Marco wirkte das Urteil offenbar wie ein Freibrief. Er blieb in der Gegend, besorgte sich eine abgeschirmte Laube in der Nähe einer Schule. Dem „Spiegel“ zufolge kamen auch hierher wieder Jungen, die er schon auf dem anderen Grundstück nackt gefilmt hatte. Sie stammten aus sozial schwachen Familien, Marco soll sie mit bis zu hundert Euro Taschengeld pro Monat gelockt haben. Er wird als einer beschrieben, der durchaus intelligent ist und Kinder geschickt manipulieren kann: Bei ihm durften sie rauchen und hatten alle Freiheiten.
Polizei stuft ihn als schwerstkriminellen Missbraucher ein
Sein Grundstück soll von den Jungen „Nacki-Club“ genannt worden sein, ständig soll dort eine Kamera gelaufen sein, auch Marco soll vor den Kindern nackt herumgelaufen sein, zuweilen mit Erektion. „Im Nachhinein muss man sagen, dass das schon ganz schön pervers war“, zitiert der „Spiegel“ ein Opfer. „Aber als Kind denkt man da nicht so drüber nach.“
Schließlich geriet Thomas Leroy durch Aufnahmen, auf denen seine Laube zu sehen gewesen sein soll, erneut ins Visier der Polizei. Im Juli 2010 nahmen Ermittler ihn in Brandenburg fest. Bei der Razzia fanden sie laut „Spiegel“ Videos, DVDs mit Titeln wie „Lausbub“ oder „Badeengel“, CDs, es waren 997 Datenträger, dazu Badekleidung für Kinder und eine Peitsche. Die Filme zeigen die Jungen beim Onanieren, Oralsex und anderen Praktiken. Die Spezialisten des Bundeskriminalamtes (BKA) stuften Marco laut „Spiegel“ in einem internen Vermerk als „schwerstkriminellen Missbraucher“ ein, gegen den eine „Verurteilung zu einer hohen Haftstrafe“ mit anschließender Sicherungsverwahrung anzustreben sei.
Doch das Landgericht Potsdam verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten, der BGH gab der Revision des Manns teils recht. Das abschließende Urteil lautete 2013: zwei Jahre auf Bewährung. Vor Gericht erklärte Marco dem Bericht zufolge, er habe nur legale Nacktaufnahmen verkauft, die Kinderpornos habe er nur für sich gemacht. Wie sie ins Netz gelangt waren, konnte er nicht sagen.
Täter bedauert nichts
Besonders bedrückend für die Opfer: Das Netz vergisst nicht. Der kanadische Anbieter Azov ist zerschlagen, doch die Filme sind noch immer auf Pädophilen-Seiten zu finden.
Und der Täter? Thomas Leroy alias Marco äußerte sich gegenüber dem Nachrichtenmagazin per E-Mail. Darin bestreitet er jede Verbindung zu Azov. Keiner der von autorisierten Vertrieben gehandelten Leroy-Filme sei als pornografisch eingestuft worden. Jedes weitere Wort, mit dem er zitiert wird, wirkt wie ein Schlag ins Gesicht der Opfer. Kein Bedauern, stattdessen dies: Er finde, Nacktheit sei „der völlig ursprüngliche Zustand – also ganz besonders bei Kindern“, auch wenn das „supersauren Moralwächtern und eifernden Weltverbesserern“ nicht passe. Zu seiner Pädophilie: kein Wort.
- Brandenburg
- Havelland
- Kanada
- Schule
- Schule und Kita in Potsdam
- Sebastian Edathy
- Sexualisierte Gewalt
- SPD
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: