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Brandenburg: Neonazi-Szene bleibt weiter größte Gefahr Verfassungsschutz-Bilanz für Brandenburg

Potsdam - Es war ein Mob von 150 bis 200 Rechtsextremen, der im August 1993 vier Tage lang vor einem Asylbewerberheim in Cottbus tobte: Sie attackierten bewaffnet mit Pflastersteinen und Mollotovcocktails die Flüchtlingsunterkunft. Gegen die Polizeikräfte setzten sie sich heftig zur Wehr.

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Potsdam - Es war ein Mob von 150 bis 200 Rechtsextremen, der im August 1993 vier Tage lang vor einem Asylbewerberheim in Cottbus tobte: Sie attackierten bewaffnet mit Pflastersteinen und Mollotovcocktails die Flüchtlingsunterkunft. Gegen die Polizeikräfte setzten sie sich heftig zur Wehr. So steht es im ersten, 1994 vorgestellten Bericht des brandenburgischen Verfassungsschutzes. „Das haben wir heute nicht mehr in dieser Intensität“, sagte Brandenburgs Innenminister Ralf Holzschuher (SPD) am gestrigen Mittwoch – 20 Jahre später – bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2013. „Aber die Stoßrichtung ist immer noch diesselbe.“ Die rechte Szene bleibe weiter die größte Bedrohung für die Demokratie in Brandenburg.

Tatsächlich haben die Rechtsextremisten in Brandenburg mit der steigenden Zahl von Asylbewerbern und dem Bau neuer Flüchtlingsheime wie zu Beginn der 1990er-Jahre ein Thema gefunden, mit dem sie glauben, Anschluss bei großen Teilen der Bevölkerung zu finden. „Das fordert unsere Zivilgesellschaft und unsere Sicherheitsbehörden auf besondere Art und Weise heraus“, sagte Holzschuher.

Immerhin stieß die Kampagne der NPD im sozialen Netzwerk Facebook, unter dem Deckmantel von angeblichen Bürgerinitiativen gegen neue Flüchtlingsheime die Stimmung im Land aufzuhetzen, auf wenig Resonanz, wie Ministeriumssprecher Ingo Decker sagte. Er erinnerte an einen Aufmarsch von 250 Neonazis in Bestensee (Dahme-Spreewald) im Herbst 2013. Als die Neonazis durch ein Wohngebiet zogen, hätten einige Anwohner aus den Fenstern gerufen: „Haut ab“ und „Schämt Euch“. Auch andere Experten wie etwa vom Moses Mendelssohn Zentrum bestätigen – wie berichtet – diese Beobachtung. Die Zivilgesellschaft sei auch in den ländlichen Regionen Brandenburgs weitaus stärker als in den 1990er-Jahren, als schwere Ausschreitungen gegen Flüchtlinge das Land erschüttert hatten. „Die Menschen im Land wissen, wo die Grenzen sind“, sagte Holzschuher. Dennoch: Drei Wochen lang stand auf der Facebook-Seite der Brandenburg-NPD ein Eintrag, in dem mit einem Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim gedroht wurde. Drei Brandanschläge gab es tatsächlich auf Asylheime im Land.

Die Sicherheitsbehörden in Brandenburg halten deshalb den hohen Druck auf die rechte Szene aufrecht – mit Erfolg. So haben die Neonazis im Süden Brandenburgs ihre Aktivitäten nach dem Verbot der „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ eingeschränkt, zudem wurden erst vor wenigen Wochen zwei Neonazis festgenommen, die im Krümelmonster-Kostüm Propaganda an Schulen verteilten, was Verfassungsschutz-Chef Weber als verheerend bezeichnete.

Trotz des erheblichen Drucks auf die rechte Szene zählte der Verfasssungsschutz 2013 acht als Kameradschaften oder als „Freie Kräfte“ organisierte Neonazi-Gruppen – eine mehr als 2012. Besonders aggressiv sei die Szene in Spremberg (Spree-Neiße), sagte Weber. Der harte Kern umfasst 25 Neonationalisten, die auch mit Gewalt gegen politische Gegner, linke Jugendliche und Ausländer vorgehen. Ihnen wird auch ein Anschlag auf ein Redaktionsbüro der Lausitzer Rundschau zugerechnet. Die Region sei „ein echter Hot-Spot“, sagte Weber. „Hier müssen wir bei den Abwehrmaßnahmen noch zulegen.“ Alexander Fröhlich

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