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Not statt Fahrplan. Auch diese Woche Standard: Stau auf dem Bahnhof.

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Brandenburg: Netzagentur will mehr Konkurrenz für S-Bahn

Präsident fordert Gesetze für mehr Wettbewerb / Auskunft zum Ersatzverkehr noch unvollständig

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Berlin - Das Minimalprogramm der Berliner S-Bahn funktioniert halbwegs stabil, aber wirkliche Besserung ist nicht in Sicht: Auch eine Woche nach dem Desaster um die verschlissenen Bremsen ist nur rund ein Viertel der Flotte einsatzfähig, so dass viele Streckenabschnitte überhaupt nicht oder nur mit Ersatzverkehr erreichbar sind.

24 geschlossene Bahnhöfe werden auf der Internetseite www.s-bahn-berlin.de aufgelistet. Viele davon sind aber mit Ersatzbussen und zusätzlichen Regionalzügen erreichbar. Entgegen der Ankündigung der Bahn werden in der Online-Fahrplanauskunft allerdings nicht alle Alternativen angezeigt.

Zugleich bekommt die Debatte über den Umgang mit dem Desaster neuen Schwung. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, forderte schärfere gesetzliche Regeln, um den Wettbewerb auf dem Schienennetz anzuheizen. „Die Wettbewerber können nur dann erfolgreich an Ausschreibungen teilnehmen, wenn sie ihre Betriebskonzepte rechtssicher planen und kalkulieren können“, sagte Kurth.

Dies ist heute noch längst nicht der Fall. So wissen bei der Ausschreibung einer Strecke Konkurrenten der Deutschen Bahn AG (DB AG) oft nicht, welche Kosten für sie entstehen, wenn sie etwa Wartungseinrichtungen, Bahnhöfe oder auch die Vertriebswege etwa beim Kartenverkauf von der Bahn nutzen wollen. „Beim Vertrieb verfügt die DB AG faktisch über eine Monopolstellung, die nicht in allen Bereichen gesetzlich geregelt ist“, kritisierte Kurth.

Die Bundesnetzagentur rechnet damit, dass bundesweit in den kommenden Jahren zwei Drittel der Angebote im Schienenpersonennahverkehr ausgeschrieben werden. Dazu seien klare Regeln im Nah- wie im Fernverkehr nötig. „Wenn wir Wettbewerb im Fernverkehr wollen, dann brauchen die Neueinsteiger Planungssicherheit“, sagte Kurth. „Das garantiert DB AG bislang nicht.“ Er forderte ebenso strenge Vorgaben wie im Energie- und Telekommunikationsbereich. Das würde für „Handlungssicherheit und Transparenz bei den Wettbewerbern sorgen“. Im Nahverkehr hat die Bahn noch einen Marktanteil von 90 Prozent, im Fernverkehr sogar 99 Prozent.

Bislang wurden etliche Strecken im Nahverkehr gar nicht erst ausgeschrieben, sondern direkt an die DB AG vergeben – mit zweifelhaftem Erfolg, wie das aktuelle Beispiel der Berliner S-Bahn zeigt. Inzwischen wächst der Druck auf den Senat, den Vertrag mit der S-Bahn fristlos zu kündigen, neu auszuschreiben und dann strenge Vorgaben für Qualität und wirksame Pönalen bei Nichterfüllung festzulegen. Das allerdings lehnt Verkehrssenatorin Ingeborg Junge- Reyer (SPD) ab. „Es gibt kein Unternehmen, dass die Verkehre so schnell übernehmen kann“, hieß es aus ihrer Verwaltung.

Das sehen die Privatbahnen allerdings anders. „Ich habe keine Zweifel, dass ein Privatunternehmen die Verkehre übernehmen würde“, sagte Engelbert Recker, Hauptgeschäftsführer beim Privatbahnenverband Mofair. Die Privatbahnen fordern, den Vertrag fristlos zu kündigen, damit das Land zumindest nachverhandeln kann. „Die Bahn versteht keine andere Sprache“, sagte auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Franziska Eichstädt-Bohlig. Es könne nicht sein, dass die S-Bahn jährlich 232 Millionen Euro vom Land erhalte und für 2010 einen Gewinn von 125 Millionen Euro einplane. Die Grünen wollen in dieser Woche entscheiden, ob sie ein Verfahren in Brüssel wegen unerlaubter Beihilfe anstrengen.Daniel Delhaes, Stefan Jacobs

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