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Brandenburg: Neuer Streit um Stolpes VergangenheitStasiaktenbehörde ringt um Linie zum SPD-Mann

Potsdam - In der Stasi-Unterlagenbehörde gibt es Bestrebungen, die Rolle von Brandenburgs früherem Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) in der DDR neu einzuordnen. Allerdings wird das nicht von allen Mitarbeitern geteilt und stößt auf Widerspruch.

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Potsdam - In der Stasi-Unterlagenbehörde gibt es Bestrebungen, die Rolle von Brandenburgs früherem Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) in der DDR neu einzuordnen. Allerdings wird das nicht von allen Mitarbeitern geteilt und stößt auf Widerspruch. Wie der „Spiegel“ berichtet, hat sich der Historiker und Mitarbeiter der Stasi-Unterlagenbehörde, Ilko-Sascha Kowalczuk, für eine Neubewertung der DDR-Vergangenheit des SPD-Politikers ausgesprochen. „Ich bin mir sicher, dass in Zukunft Manfred Stolpes politisches Agieren bis 1989 weitaus differenzierter und ausgewogener betrachtet werden wird, als es bislang üblich ist“, sagte Kowalczuk. Er bescheinigte Stolpe, in „erster Linie als Kirchenvertreter“ agiert zu haben. „Ihn als Person, die die Interessen von SED und Stasi vertrat, zu bezeichnen, ist historisch nicht haltbar.“

In der Stasi-Unterlagenbehörde lösten Kowalczuks Äußerungen nach PNN-Recherchen Unmut aus. Denn der Historiker, der gerade mit seinem Kollegen Arno Polzin ein Buch über die Abhörmethoden der Stasi in den 1980er-Jahren veröffentlicht hat, stellt sich damit klar gegen die bisherige Linie seiner Behörde. Die hatte Stolpe immer wieder Zuträgerdienste für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) vorgeworfen.

Der von Kowalczuk erhobene Vorwurf, Stolpe sei als Person bezeichnet worden, „die die Interessen von SED und Stasi vertrat“, sei nicht haltbar, weil die Stasi-Unterlagenbehörde diese Einschätzung und Behauptung nie abgegeben habe, hieß es von mehreren Seiten in der Behörde. Auch der Untersuchungsausschuss des brandenburgischen Landtags zu Stolpes Agieren in der DDR sei zu weitaus differenzierteren Ergebnissen gekommen. Kowalczuks Äußerungen seien eine substanzlose Spiegelfechterei, hieß es. Angesichts der immer wieder ungewissen Zukunft der Behörde und den Auseinandersetzungen mit der Politik um die weitere Ausrichtung vermuten Insider eine taktische Aktion, um bei der SPD zu punkten.

Stolpes Rolle als Mitglied der Kirchenleitung in der DDR und die Wertung seiner Kontakte zur Stasi sind umstritten. Nach eigener Aussage handelte Stolpe im Interesse der Kirche und ihrer Mitglieder und habe wissentlich niemandem durch seine Kontakte zur Stasi geschadet. Gegen den früheren Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, Joachim Gauck, erwirkte Stolpe 1993 ein Urteil, wonach Gauck nicht mehr behaupten darf, Stolpe sei ein wichtiger inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi gewesen. Das Bundesverfassungsgericht stellte 2005 fest, eine Bezeichnung Stolpes als IM sei nicht zulässig. Dennoch bekräftigte die Stasi-Unterlagenbehörde, die 2003 ein 1200-Seiten-Dossier zu Stolpe und IM-„Sekretär“ vorlegte, ihre Linie, dass Stolpe unabhängig von der Tatsache, ob er je als Mitarbeiter rekrutiert worden sei, als IM-„Sekretär“ und über 20 Jahre hinweg nach den Maßstäben des MfS als „ein wichtiger IM im Bereich der evangelischen Kirche der DDR“ in den Akten der Staatssicherheit geführt worden sei. So stand es auch im ersten Gauck-Gutachten von 1992 für den Untersuchungsausschuss des Landtags. Zuletzt hatte es in der vergangenen Wahlperiode des Landtags Streit um Stolpe gegeben. Gutachter der Enquetekommission zur DDR-Aufarbeitung kamen zu dem Ergebnis, dass Stolpe beim Stasi-Check des 1990 gewählten Landtags sein Mandat hätte niederlegen müssen. A. Fröhlich

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