Brandenburg: Nicht mit sich handeln lassen
Nicht nur in Berlin: In sieben deutschen Städten protestieren Zehntausende gegen TTIP und Ceta
Stand:
Berlin - Die Weltzeituhr am Alexanderplatz ist ein beliebter Treffpunkt. Doch an diesem Samstag stehen hier sehr viel mehr Menschen als gewöhnlich. Sie haben Plakate mitgebracht, Fahnen, Trillerpfeifen. Für die Demonstration gegen die Handelsabkommen TTIP und Ceta, die hier um zwölf Uhr beginnen soll.
Als einer der ersten Redner kommt Michael Müller, Vorsitzender der Naturfreunde, auf die Bühne. Er nennt TTIP und Ceta einen „Angriff auf die Demokratie“. Die Politik vertrete „Konzepte von gestern und vorgestern“. Protestiert wurde an diesem Tag nicht nur in Berlin. Die Menschen gingen in sieben Großstädten auf die Straße. Aufgerufen dazu hatte ein Bündnis von rund 30 Organisationen: Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbänden, kirchlichen Gruppen. Kritiker befürchten, dass durch die Abkommen, die zwischen der EU und den USA (TTIP) sowie Kanada (Ceta) geschlossen werden sollen, Umwelt- und Sozialstandards ausgehöhlt werden. Außerdem würden Sonderrechte für ausländische Investoren geschaffen und demokratische Grundprinzipien verletzt werden. „Ich möchte nicht, dass andere Einfluss auf unsere Wirtschaft und unsere Lebensmittel nehmen“, sagte eine Frau in Berlin. Befürworter versprechen sich von den Freihandelsabkommen eine Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Nirgendwo anders in Europa ist der Widerstand in der Bevölkerung so stark wie in Deutschland. Trotzdem kamen am Samstag weniger Menschen als erwartet: Bei der Hauptkundgebung in Berlin sprach die Polizei zunächst von 40 000, in Hamburg von 30 000, in München von 23 000 Teilnehmern. Die Veranstalter hatten vorher allein in Berlin mit 80 000 bis 100 000 gerechnet. Am Samstagnachmittag sprachen sie dann von 320 000 bundesweit – und von 70 000 in der Hauptstadt. Die Berliner Polizei teilte schließlich mit, sie habe sich mit dem Veranstalter auf diese Zahl „als Spitzenwert geeinigt“. Im vergangenen Oktober hatten 150 000 Menschen in Berlin gegen TTIP und Ceta protestiert.
Angegriffen wurde auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der das TTIP-Abkommen mit den USA für gescheitert hält, aber das Ceta-Abkommen mit Kanada befürwortet. An diesem Montag will ein SPD-Konvent über Ceta beraten. Gabriel hofft, grünes Licht für den Handelsministerrat zu bekommen. In der Parteiführung erwartet man inzwischen eine deutliche Mehrheit für Gabriels Kurs – auch deshalb, weil davon ausgegangen wird, dass der SPD-Chef im Falle einer Niederlage noch am gleichen Tag zurücktreten würde. Zuletzt hatte Gabriel den Gewerkschaften und seinen parteiinternen Kritikern weitere Zugeständnisse in Aussicht gestellt.
EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström warf den TTIP-Gegnern vor, Unwahrheiten zu verbreiten. „Viele TTIP-Gegner halten es mit der Wahrheit und Fakten nicht so genau“, sagte die Schwedin der „Bild“. In der Debatte um TTIP und CETA gebe es „viele Missverständnisse, Schauermärchen und Lügen“. Einen schnellen Erfolg bei den Verhandlungen erwartet allerdings auch Malmström nicht mehr. Bisher sei noch keines der 30 Kapitel des TTIP-Vertrags abgeschlossen. Ulrich Grillo, Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), erklärte, ein Scheitern von TTIP und Ceta wäre ein schwerer Rückschlag für Europa und alles andere „als der Sieg einer aufgeklärten Protestbewegung“. M. Rövekamp
M. Rövekamp
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: