Von Thorsten Metzner: „Nicht-Profis von Profis über den Tisch gezogen“
Speer überrascht vom Verschwinden Thylanders / Staatsanwaltschaft studiert Akten zu Krampnitz und zu BBG-Verkauf
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Potsdam - In der Finanz-Affäre um die Verkäufe der Kasernen in Potsdam-Krampnitz und der Brandenburgischen Bodengesellschaft (BBG) durchforsten jetzt Staatsanwälte die Akten des Finanzministeriums in Brandenburg. Das bestätigte Helmut Lange, Sprecher der Potsdamer Staatsanwaltschaft, am Dienstag den PNN. Auf deren Grundlage werde entschieden, „ob der Anfangsverdacht für eine Straftat besteht“ und ein Ermittlungsverfahren etwa wegen möglicher Haushalts-Untreue eingeleitet wird. Das Finanzministerium will die geforderten Akten „unverzüglich“ zur Verfügung stellen.
Brandenburgs Innenminister und Ex-Finanzminister Rainer Speer (SPD), der für beide Vorgänge verantwortlich war, reagierte überrascht auf jüngste Enthüllungen der PNN. Wie berichtet, gibt es nach diversen Ungereimtheiten inzwischen nun auch noch massive Zweifel, ob die renommierte dänische Thylander-Gruppe, die Speer dem Landtag 2007 als solvente und seriöse Käufer des 112-Hektar-Areals vorgestellt hatte, überhaupt etwas mit dem Kauf zu tun hat. In den Handelsregister-Auszügen der seither dort tätigen TG Potsdam taucht Thylander nirgends auf. „Diese Frage stellt sich mir auch“, sagte Speer. Als er die Vorlage in den Landtag einbrachte, sei er aufgrund von Unterlagen des Finnazministeriums und nach einem persönlichen „Gespräch mit Herrn Thylander“ davon ausgegangen, dass es sich bei der TG Potsdam um eine Gesellschaft der Thylander-Gruppe handelte. Er räumte ein: „Ich habe das nicht hinterfragt.“ Er habe dazu auch keinen Anlass gesehen. Gleichwohl blicke er den Untersuchungen der Staatsanwaltschaft zu Krampnitz und zur BBG gelassen entgegen.
Die Opposition im Landtag aus CDU, FDP und Grünen will beide Vorgänge und den Umgang der heutigen landesregierung damit – und darüber hinaus noch „Netzwerke“ von SPD-Ministern und Sport-Vereinen wegen Interessenkollisionen bei der Fördermittelvergabe – in einem Untersuchungsausschuss aufklären.
Im Fall Krampnitz seien wohl „Nicht-Profis von Profis über den Tisch gezogen worden“, sagte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. Der Verkauf des Areals war 2007 mit SPD/CDU-Mehrheit vom Finanzausschuss durchgewunken worden. „Das war ein Fehler. Wir hätten stärker nachfragen müssen. Wir haben der Landesregierung zu sehr vertraut“, sagt CDU- Fraktionschefin Saskia Ludwig dazu gestern. Unterdessen nimmt die Spannung im Landtag zu, welche Folgen die Affäre noch haben wird. Für die FDP ist es „Chefsache“, seit sich Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) nicht nur uneingeschränkt hinter Speer gestellt hat, sondern von keinem erkennbaren Schaden sprach. Die CDU fragte, ob Platzeck an „Wahrnehmungsverzerrung“ leide.
Selbst der Linke-Koalitionspartner folgte Platzeck an dieser Stelle so nicht. „Wir können nicht abschließend sagen, ob es zu einem finanziellen Schaden für das Land gekommen ist“, sagte Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser unter Verweis auf die „offenen Fragen“ und die laufenden Prüfungen. Sie sprach im Zusammenhang mit Krampnitz von „Heuschrecken“. Im Fall der BBG sieht sich die Linke, die als Opposition gegen die erst geplante Liquidierung der soliden Firma und dann gegen die Privatisierung war, in den Bedenken bestätigt. Vom Umstand, dass der Käufer der Firma zwei Drittel des 3,9-Millionen-Kaufpreises aus den Rücklagen der BBG nehmen konnte, habe die Linke nichts gewusst.
Kein Ministerium in Brandenburg stand seit 1990 so oft im Zentrum von Affären wie das Finanzministerium. Untersuchungausschüsse gab es etwa zu Fehlspekulationen in Schönefeld, zur Pleite der Landesentwicklungsgesellschaft und zuletzt zur Enteignungs-Affäre um die sittenwidrige Landnahme tausender Bodenreform-Grundstücke durch das Land. Der Abschlussbericht des Landtages hatte dafür das Eigenleben des Apparates im Finanzministerium verantwortlich gemacht. Damals hatte sich ein Staatsanwalt direkt im Finanzministerium einquartiert. Allerdings kam die Behörde nach mehrwöchigen Prüfungen zum Ergebnis, dass kein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten vorlag.
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