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Von Thorsten Metzner: „Nix wie weg!“

Gregor–Ness: Entschädigung für Bürger, die Blankenfelde-Mahlow wegen Extremfluglärms verlassen

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Potsdam - Der künftige Fluglärm um den BBI in Schönefeld mit täglich eintausend Flügen provoziert weiteren Krach: Nach den Flugrouten und dem auf fünf Stunden begrenzten Nachtflugverbot gerät Brandenburgs Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD) in die Kritik. Denn sein Ministerium hat die von der Flughafengesellschaft beantragte BBI-Gebührenordnung genehmigt, obwohl die Lärm-Aufschläge für Starts und Landungen in den Nachtstunden (22 bis 24 Uhr sowie 5 bis 6 Uhr) weit hinter einem Forderungs-Katalog der Fluglärmkommission liegen. Wenn die am Montag tagt, wird es wegen des Affronts hoch hergehen. Nach einem den PNN vorliegenden internen Vermerk hält auch das brandenburgische Umweltministerium die BBI-Gebührenordnung für unzureichend.

Auf der Landtags-Anhörung am Donnerstag zu Forderungen nach einem „echten“ Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr sorgte die Genehmigung schon für Kritik. „Die Fluglärmkommission wird desavouiert“, sagte Peter Kreilinger, Experte der Bürgerinitiative Havelseen. Es sei absolut unverständlich, dass ausgerechnet das Land eine Empfehlung der Fluglärmkommission ignoriere, gleichzeitig aber erwarte, dass die Deutsche Flugsicherung der Flugrouten-Empfehlung des gleichen Gremiums folgt, was diese nicht müsse. Laut Gebührentabelle sind die Flugzeugtypen in sieben Lärmklassen unterteilt, für die neben Start-, Lande- und Passagierentgelten ein extra Lärmaufschlag fällig wird. Der liegt für gängige Flieger wie einen Airbus A 320 bei 49,50 Euro, für eine Boeing 737 bei 66,50 Euro, bei einer Boeing 747 bei 199,50 Euro. Für Starts und Landungen in Nachtstunden kommen Aufschläge zwischen 20% und 100% hinzu. Die Fluglärm-Kommission hatte dagegen Nachtzuschläge von 100 Prozent bis 300 Prozent für die Zeiten zwischen 22 und 24 Uhr und zwischen fünf und sechs Uhr gefordert, außerdem eine Ausweitung auf 12 Lärm-Typenklassen nach dem Vorbild des Flughafens Frankfurt am Main. Auch das von der Linken Anita Tack geführte Umweltministerium kommt zum Fazit, dass in „der Tendenz“ die Entgelte in diesen Zeiten „weit“ hinter denen am Flughafen Frankfurt am Main zurückbleiben, aber auch hinter den bisher für Tegel geltenden. „Höhere Zuschläge in Verbindung mit einer breiteren Spreizung der Entgeltsätze würden den Willen zur Minderung der Lärmbelastung im Umfeld des Flughafens - besonders in den Tagrandzeiten - dokumentieren.“

Die Flughafengesellschaft hat die von Airlines als immer noch zu hoch kritisierten Gebühren als „vernünftigen Kompromiss“ begrüßt. Einerseits rechne man mit einer Erhöhung von 5 Euro pro Passagier, zum anderen sei es ein Standortvorteil, dass das „Preisniveau“ unter dem der anderen deutschen Umsteigflughäfen bleibe. Das Verkehrsministerium verweist neben rechtlichen Zwängen darauf, dass die Gebühren nur „unter Auflagen“ genehmigt worden sind. Laut Bescheid muss der Flughafen „spätestens zwei Jahre“ nach Inbetriebnahme etwa nachweisen, ob erweiterte Lärmklassen sinnvoll sind. Dann sollen auch die Nachtzuschläge „auf ihre Steuerungswirksamkeit“ überprüft werden.

Dass ein von den Grünen gefordertes erweitertes Nachflugverbot von 22 bis 6 Uhr durchsetzbar ist, ist umstritten. Ein entsprechender Antrag liegt im Landtag. Das Bundesverwaltungsgericht hatte aber in einem Urteil das Totalverbot auf Mitternacht bis 5 Uhr begrenzt. Dort sind nun diverse neue Klagen anhängig. Allerdings haben die Richter in Schreiben an Kläger angezweifelt, dass ausreichend Gründe für die Wiederaufnahme des Verfahrens um die Planfeststellung vorliegen, hieß es am Freitag. Am 20. und 21. September wollen die Leipziger Richter über die Nachtflugregelung für den Flughafen verhandeln.

Derzeit „gibt es politisch keine Möglichkeit, in das Verfahren einzugreifen“, sagte deshalb SPD-Vizefraktionschefin Martina Gregor-Ness. „Dies würde kurz vor der BBI-Eröffnung ein neues Planfeststellungsverfahren auslösen.“ Unter dem Eindruck absehbar extremer Lärmbelastungen unmittelbar am BBI forderte Gregor-Ness eine zügige und großzügige Umsetzung der Lärmschutz-Investitionen, bisherige restriktive Bewilligungen seien ein „No go“. Gregor-Ness sprach sich außerdem dafür aus, für extrem belastete Orte wie Blankenfelde-Mahlow über „Entschädigungen nachzudenken für Menschen, die wegziehen wollen.“ Wenn es sie persönlich treffen würde, würde ich es sofort in Anspruch nehmen, so die Lausitzer Politikerin, „Nix wie weg!“

Die Grünen sehen sich nach der Anhörung, auf der auch Gesundheitsschäden durch Fluglärm prophezeit wurden, in ihrem Anti-Nachtflug-Antrag bestärkt. Allerdings wurden sie vom parlamentarischen Geschäftsführer der Linken, Christian Görke, daran erinnert, dass Brandenburgs Grüne 1996 gegen den Standort Sperenberg und für Schönefeld waren. „Das Schutzgut Wald war ihnen wichtiger als der Mensch.“ Für die Linken ist nach der falschen Standortentscheidung von damals nun vordringlich, auch beim Nachtflugverbot nach einer besseren Lösung zu ringen, so Görke. „Fünf Stunden Nachtruhe reichen nicht“, sagt er. Es müsse um einen Kompromiss gerungen werden, der darüber hinaus geht, er nannte „23 bis 6 Uhr“ Als sicher gilt, dass keine Ruhe einkehrt. Das Bündnis Berlin Brandenburg gegen die neuen Flugrouten hat für diesen Sonntag erneut zur einer Protestversammlung am Flughafen Schönefeld aufgerufen. Es rechnet mit bis zu 10 000 Teilnehmern. (mit dpa)

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