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Brandenburg: Noch mehr NSU-Akten geschreddert?

Potsdam - Brandenburgs Justizministerium und die Generalstaatsanwaltschaft haben einen generellen Vernichtungsstopp für Justizakten verhängt. Zugleich sollen die Staatsanwaltschaften die Aufbewahrungsfristen für Akten prüfen, die für den NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags relevant sein könnte.

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Potsdam - Brandenburgs Justizministerium und die Generalstaatsanwaltschaft haben einen generellen Vernichtungsstopp für Justizakten verhängt. Zugleich sollen die Staatsanwaltschaften die Aufbewahrungsfristen für Akten prüfen, die für den NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags relevant sein könnte. Das sagte Justizminister Stefan Ludwig (Linke) am Donnerstag im Rechtsausschuss des Landtags. Konkret gehe es um alle Akten, in denen Personen eine Rolle spielen, die in den Beweisbeschlüssen oder im Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages auftauchen. Damit soll sichergestellt werden, dass neben den NSU-Angehörigen auch die Akten der „möglichen Teilnehmer und Unterstützer“ der Neonazi-Terrorzelle erhalten bleiben. Zudem solle untersucht werden, was bisher an weiteren Akten mit Bezug zum NSU vernichtet wurde.

Zugleich verteidigte Ludwig die Löschung der Justizakten zu Carsten Szczepanski, bekannt als V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes, Deckname „Piatto“, als rechtsmäßig. Die Staatsanwaltschaften Frankfurt (Oder) und Potsdam hätten sich bei der Vernichtung der Akten im Frühjahr 2015 an die Vorgaben für die Aufbewahrung gehalten. Allerdings wäre mehr Sensibilität nötig gewesen, räumte Ludwig ein. Dann hätten die Fristen auch verlängert oder wegen der zeithistorischen Bedeutung die Akten an das Staatsarchiv übergeben werden können. Doch offenbar wurde nicht einmal die Regel eingehalten, dass generell Akten mit Bezug zu politischer Kriminalität an das Archiv abgegeben werden. Fraglich ist sogar, ob überhaupt ein Staatsanwalt die Akte noch einmal geprüft hat, als sie 2014 aus dem Bundestag zurückkam und später dann geschreddert wurde.

Die Akten seien von zeithistorischer Bedeutung

Ein Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft verwies darauf, dass nur die Ermittlungs- und Handakten zu Szczepanski vernichtet worden seien, das Urteil aber noch aufbewahrt werde. Und das sei juristisch relevant. Eine Abteilungsleiterin des Ministeriums erklärte, 2014 sei nichts Relevantes zum NSU in den Akten gefunden worden, es handle sich um ein normales Strafverfahren. Mehrere Abgeordnete von CDU, Linken und Grünen widersprachen energisch. Allein, weil die Akten beim NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages waren, seien sie von zeithistorischer Bedeutung, hieß es. 

Am heutigen Freitag befasst sich der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags mit dem V-Mann-Wesen. Dazu sind am Freitag (9.30 Uhr) zwei Sachverständige geladen, die über den Einsatz von V-Leuten in der Zeit von 1990 bis heute im Land Brandenburg berichten sollen. Der Ausschuss will herausfinden, ob der Verfassungsschutz die Mordserie der Terrorgruppe NSU begünstig hat, indem Hinweise des V-Manns „Piatto“ nur unzureichend an die Ermittler in anderen Ländern weitergegeben wurden, um die Quelle zu schützen. Dieser Vorwurf war bei Untersuchungsausschüssen anderer Länder und des Bundestags sowie beim Münchner NSU-Prozess laut geworden. Der Ausschuss war im April eingesetzt worden und kommt nun zum dritten Mal zusammen. Mitglieder des rechtsextremen „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) hatten den Ermittlungen zufolge zehn Menschen getötet. 

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