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Brandenburg: Notunterkünfte für Pendler aus Berlin

Reparatur der ICE-Strecke nach Hannover dauert noch Monate. Gleise stehen halben Meter unter Wasser. Wolfsburg rechnet mit dem Schlimmsten

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Berlin - Die Schnellfahrstrecke Berlin-Hannover, eine der wichtigsten im deutschen Schienennetz, wird wegen des Hochwassers noch auf Monate gesperrt bleiben. Das Wasser steht an den Gleisen noch immer einen halben Meter hoch, welche Schäden es verursacht hat, kann der Staatskonzern derzeit noch nicht ermitteln. Der aktuelle Notfahrplan werde bis zum 29. Juli verlängert, danach trete eine überarbeitete Version in Kraft, teilte das Unternehmen am Dienstag mit. Der neue Plan gilt dann bis auf weiteres. Dabei verbessert sich die Anbindung für Bahnfahrer aus Berlin ein wenig. Das gilt vor allem für Pendler mit dem Ziel Wolfsburg: Für sie gibt es wieder eine direkte Verbindung.

„Die Strecke ist noch immer unpassierbar“, sagte Volker Kefer, Infrastruktur- Vorstand der Deutschen Bahn. Rund fünf Kilometer zwischen Stendal und Rathenow sind betroffen. Grund war ein Dammbruch an der Elbe während des Hochwassers Anfang Juni. Nun fließt es langsamer ab als von dem Unternehmen erhofft. Erst wenn der Bahndamm komplett getrocknet ist, können Spezialisten die Trasse näher untersuchen.

Auf der Strecke, die von ICEs mit rund 250 Stundenkilometern befahren wird, liegen die Gleise nicht auf Schotter, sondern auf Betonplatten. Diese sogenannte feste Fahrbahn soll günstiger in der Wartung sein und mehr Fahrkomfort für die Passagiere bieten. Unklar ist, ob das Wasser die Platten unterspült und Hohlräume geschaffen hat – dann würden sie nachgeben, wenn ein tonnenschwerer ICE darüber braust. Um den Untergrund zu erkunden, müssen die Bahn-Leute mit einer Art Ultraschall anrücken und die Dichte des Erdreiches prüfen. An einigen Stellen wollen sie Bohrungen vornehmen, um Klarheit zu erhalten.

Das dauert. Erst in sechs bis acht Wochen werde der Umfang der Schäden feststehen, sagte Kefer. „Ich habe Manschetten vor dem, was wir im Untergrund finden“, bekannte er. Nach der Erkundung beginnen die Bauarbeiten. Auch die Leit- und Sicherungstechnik muss wohl größtenteils erneuert werden. Man könne erst absehen, wie lange die Instandsetzung dauert, wenn der Umfang des Schadens feststehe, sagte Kefer weiter. Auch sei unklar, ob die Industrie die nötigen Bauteile rechtzeitig liefern kann. „Ausschließen kann ich es nicht, dass es bis 2014 dauert, avisiere es aber auch nicht.“

Das Hochwasser trifft die Bahn an einer empfindlichen Stelle. Ein Viertel der Fahrgäste ist von den Umleitungen und Verspätungen betroffen. Der neue Fahrplan ist ab dem 19. Juli buchbar. Die neuen Linien bringen bessere Anbindungen für Berlin, aber auch – wie bisher schon – längere Fahrzeiten. Züge mit dem Ziel Frankfurt am Main werden über Stendal und Braunschweig oder über Erfurt umgeleitet. Die Züge über Erfurt sind eine halbe Stunde länger unterwegs, über Braunschweig eine Stunde. Nach Hannover und weiter ins Ruhrgebiet geht es über Magdeburg, hier liegt dieVerzögerung bei einer Stunde. Nach Amsterdam fährt die Bahn immerhin einmal pro Tag mit einem durchgehenden Zug.

Wer in Berlin wohnt und in Wolfsburg arbeitet, kann die Stadt demnächst wieder direkt ansteuern. Allerdings dauert die Fahrt doppelt so lange wie bisher – zwei Stunden statt wie früher eine Stunde. Das ist schon eine Verbesserung; Derzeit sind die meisten Züge noch fast drei Stunden unterwegs. Auch in Spandau werden die ICEs wieder halten, und zwar alle zwei Stunden.

Mehrere hundert Berliner, die meisten von ihnen arbeiten bei Volkswagen, müssen seit der Sperrung der Strecke improvisieren. Viele seien bei Kollegen untergekommen oder in Pensionen, heißt es bei der Stadtverwaltung Wolfsburg. Oberbürgermeister Klaus Mohrs (SPD) hat nun eine neue Idee: Rund 100 Pendler könnten in einer ehemaligen Kaserne am Stadtrand unterkommen, die gerade frei geworden sei, schlug er vor. Denkbar sei auch, Wohnwagen und Wohnmobile anzubieten. „Die ICE-Anbindung ist für Wolfsburg und Volkswagen ein wichtiger Standortfaktor – deshalb dürfen wir nicht über Monate vom ICE-Netz abgeschnitten sein“, forderte Mohrs. Die Bahn müsse Übergangslösungen finden. Die Stadt und der Konzern pflegen ohnehin eine schwierige Beziehung – mehrmals hatten Lokführer den planmäßigen Halt in der Industriestadt vergessen und waren einfach weitergerauscht.

Alternativen für Pendler gibt es derzeit nicht. Fernbusse fahren auf der Strecke nicht – „die Bahn ist mit ihrer kurzen Fahrzeit einfach konkurrenzlos“, heißt es bei einem Branchenverband. Das Unternehmen MeinFernbus will nun immerhin prüfen, ob nicht ein Halt in Wolfsburg lohnen würde – eine schnelle Lösung werde es aber nicht geben, sagte ein Sprecher. Wer das Auto nimmt, schafft es bis Wolfsburg im besten Fall in gut zwei Stunden.

Für Bahn-Kunden gelten weiter die Kulanzregeln beim Umtausch: Wer gebucht hat, kann sein Ticket bis 31. Juli kostenlos zurückgeben oder umbuchen. Fragen beantwortet die Bahn unter der Gratis-Rufnummer (0800) 99 66 33. Carsten Brönstrup

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