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Nachjustiert. Nach dem NSU-Skandal setzen Innenministerium und Polizei in Brandenburg beim Thema Neonazis auf Vehemenz und Offenheit.

© dpa

Brandenburg: NSU-Check für die Polizei

Brandenburg hat nach den Neonazi-Morden Konsequenzen gezogen

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Potsdam/Oranienburg - Mit Selbstlob im Kampf gegen Rechtsextremismus ist das so eine Sache – besonders für die Sicherheitsbehörden, gerade nach dem Skandal um das Neonazi-Mördertrio NSU. Im brandenburgischen Innenministerium aber herrscht schon eine gewisse Zufriedenheit vor. Es sieht Brandenburg deutschlandweit in einer Vorreiterrolle bei der Umsetzung der vom NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages 2013 empfohlenen Neujustierung in der Polizei. Die Vehemenz und Offenheit, mit der Brandenburg in dieser Frage vorgeht, sei im Vergleich zu anderen Bundesländern einmalig und stoße dort auch auf große Vorbehalte, heißt es.

Tatsächlich setzt Brandenburg auf Transparenz, wie am Freitag bei einem Seminar für Spitzenbeamte aus Polizei und Innenministerium. Es ging um „Opfer des Rechtsextremismus: Konsequenzen für die Polizei Brandenburg nach dem Aufdecken des NSU“. Eine Konsequenz hatte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) noch als Innenminister vor zwei Jahren gezogen. Er veranlasste eine Überprüfung aller seit 1990 begangenen Mordfälle mit rechtsextremen Hintergrund. Geklärt wird, ob es sich um rechtsmotivierte Tötungsdelikte handelt, die bisher als solche nicht in der offiziellen Statistik auftauchen. Beauftragt wurde damit das Potsdamer „Moses Mendelssohn Zentrum“, im Frühjahr 2015 sollen Ergebnisse vorliegen. Überprüft werden 33 Fälle, nur 9 davon sind als rechtsextreme Tötungsdelikte registriert.

Bundesweit ist das einmalig, dass staatliches Handeln der Strafverfolgungsbehörden nachträglich von externen Wissenschaftlern und nicht von den Behörden selbst nachträglich überprüft werden. Das Missfallen in anderen Bundesländern über diesen Weg Brandenburgs ist dem Vernehmen nicht gerade klein, weil damit auch die Prüfergebnisse in den anderen Bundesländern indirekt noch einmal in Zweifel gezogen werden. Zudem dürften sie Folgen für Absprachen zwischen den Innenministerien von Bund und Ländern zu den Merkmalen rechtsextremer Straftaten haben.

In Brandenburgs müssen seit April alle Straftaten schon beim Erfassen auf einen rechtsextremen Hintergrund geprüft werden, im Zweifelsfall müssen die Ermittler gang genau prüfen, bei Staatsschutzdelikten gelten für die Beamten ohnehin hohe Anforderungen. Streifenpolizisten wurden mit Taschenkarten ausgestattet, anhand derer sie am Tatort mögliche politische Hintergründe für Straftaten schneller erkennen können. Beamte bekommen in ihren Dienststellen Schulungen am Computer zu rechtsextremen Straftaten. Per Erlass gilt seit September ein Diskriminierungsverbot für Polizeibeamte: Sie dürfen sich nicht abwertend gegenüber Minderheiten und anderen Kulturen äußern. Opfer rechter Gewalt werden auf Beratungsstellen hingewiesen, die Zusammenarbeit mit dem Verein Opferperspektive wurde verstärkt. Oder wie Kriminaldirektor Roger Höppner vom Innenministeriums sagte, sollen die Bedürfnisse der Opfer rechter Gewalt stärker von der Polizei beachtet werden.

Diese klare Linie begründet Höppner auch mit den Erfahrungen in anderen Bundesländern. Als Neonazis im November 2012 im sächsischen Hoyerswerda ein Paar bedroht und faktisch aus der Stadt gejagt hatten, ließ die Polizei sie gewähren. Dem bedrohten Paar, das sich gegen Rechtsextremismus engagiert, sagten die Beamten, sie könnte es nicht schützen. Höppner sagt: Das sei für ihn eine Fanal gewesen. So etwas dürfe in Brandenburg nicht passieren.

Oder jüngst in Sachsen-Anhalt: In der Fachhochschule der Polizei in Aschersleben ist eine Ausstellung zu den Verbrechen des NSU beschmiert worden – offenbar von Polizeischülern. Derartiges habe es bei der Polizei in Brandenburg bisher nicht gegeben. Rainer Grieger, Präsident der Polizeischule in Oranienburg berichtet allerdings von zwei Polizeischülern, die er wegen rechter Einträge bei Facebook von der Schule schmiss.

Ermittelt wurde wegen Volksverhetzung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Ein Brandenburger wurde verurteilt. Der andere, ein Brandenburger, kam davon. Das Verfahren wurde eingestellt. Per einstweiliger Verfügung klagt er sich an die Schule zurück. Das Hauptsacheverfahren ist noch offen.

nbsp;Alexander Fröhlich

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