Von Rita Nikolow und Sandra Dassler: Nur noch vier Liter Milch für jeden Kunden
Wegen des Kampfs der Landwirte um höhere Preise werden Vorräte knapp. Bauernchef bei Blockade in Gewahrsam genommen
- Rita Nikolow
- Sandra Dassler
Stand:
In Brandenburg wird die Milch langsam knapp. Prenzlauer Supermärkte gaben gestern nur noch maximal vier Liter pro Käufer ab. In Gransee beendete die Polizei am Freitagabend die Blockade einer Molkerei und nahm dabei sieben Landwirte vorläufig in Gewahrsam, darunter den Chef des Kreisbauernverbandes.
Der Kampf der Milchbauern für höhere Preise spitzt sich zu. Brandenburgs Agrarminister Dietmar Woidke (SPD) forderte angesichts dieser Entwicklung, rechtsstaatliche Formen zu wahren, äußerte aber zugleich Verständnis für die Protestaktionen. „Es geht bei vielen Landwirten schlicht um die nackte Existenz, da liegen natürlich die Nerven blank“, sagte er gestern dem Tagesspiegel. „Es war ein Fehler, dass Brüssel die Milchquote um zwei Prozent erhöht hat. So kam noch mehr auf den Markt und die Preise sanken weiter.“
Wie berichtet, haben sich in Brandenburg die meisten Milchbauern den bundesweiten Protesten angeschlossen. Sie fordern mindestens 43 Cent für den Liter Milch, da sie nur so kostendeckend produzieren könnten. Momentan erhalten sie von den Molkereien zwischen 27 und 35 Cent, sagte gestern ein Sprecher des Landesbauernverbandes (LBV). Die Molkereien wiederum seien an das Preisdiktat der großen Handelsketten wie Aldi, Lidl und Edeka gebunden. Die bestätigten auch gestern nicht, dass sie die Milch demnächst mit einem Preisaufschlag für die heimischen Landwirte anbieten wollen. „Auch uns sind solche Vorschläge nicht bekannt“, sagte der LBV-Sprecher.
Die Bauern versuchen mit ihren Aktionen, das Milchangebot zu verknappen. „Wir müssen leider einen Großteil weiter liefern, da wir an langfristige Verträge gebunden sind“, sagt der der Prokurist Jens Winter von der Rhinmilch GmbH Fehrbellin. „Aber was wir übrig haben, verfüttern wir an die Kühe. Und natürlich kaufen wir wie viele andere Bauern inzwischen alle Milchprodukte aus den Supermärkten auf und schenken sie der Neuruppiner Tafel.“
Der Landesbauernverband hat nun eine Liste mit Anlaufpunkten erstellt. Morgen sollen die aufgekauften Produkte wie H-Milch, Butter, Joghurt oder Käse an Tafeln, Arbeitslosenzentren, Krankenhäuser, Heime oder karitative Einrichtungen überreicht werden. Bereits heute kommen Kinder in Ludwigsfelde, Prenzlau und anderswo in den Genuss von kostenlosen Puddings und anderen Leckereien. Auf Veranstaltungen zum Tag des Kindes, der gleichzeitig der Tag der Milch ist, werden die zuvor von den Bauern aufgekauften Produkte kostenlos verteilt.
Während es in Brandenburgs Supermärkten bereits zu Engpässen kommt, ist die Milch in Berlins Supermärkten noch nicht knapp. Bei Aldi, NP, Kaiser´s, Edeka und der Biogenossenschaft LPG waren die Regale gestern um die Mittagszeit gut gefüllt. Auch „Hamsterkäufer“ sind den Mitarbeitern noch nicht aufgefallen. Die Berliner kauften gestern auch meist nur die Tüte Milch fürsWochenende. „Ich habe keine Sorgen, dass die Milch knapp wird“, sagte die Krankenschwester Mila Pogoreleva, und legt nur einen Beutel in ihren Einkaufskorb. Dafür, dass die Bauern mehr Geld für den Liter von den Molkereien verlangen, habe sie Verständnis und würde natürlich auch mehr bezahlen.
Ahmet Gürez, Geschäftsführer des Naturkostladens „Ölweide“ in der Pohlstraße, würde seine Milch auch noch mal um fünf Cent verteuern, wenn es den Bauern zugute käme. „Der Liter Milch kostet ja tatsächlich häufig weniger als eine Flasche Wasser“, sagt Gürez.
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