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Die Oder bei Kienitz

© Thorsten Metzner

Zu wenig Oder-Schutz: Verbände verklagen Brandenburger Umweltministerium

Der Zustand der Oder ist schlecht. Das Fischsterben im Vorjahr war dramatisch. Oft wird auf Polen gezeigt. Doch es gibt auch Defizite in Brandenburg - dagegen klagen jetzt Verbände.

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Brandenburg, das diesen Vorwurf regelmäßig gegenüber Polen erhebt, tut selbst zu wenig gegen die Verschmutzung der Oder. Deshalb hat jetzt ein Bündnis von sieben Umweltorganisationen unter Federführung des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sogar das von Minister Axel Vogel (Grüne) geführte Umweltministerium verklagt - wegen Verstoßes gegen EU-Recht.

Mit der Klage beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) soll durchgesetzt werden, dass das Land den bisherigen „Bewirtschaftungsplan Oder“ substanziell nachbessert - für einen effektiven Schutz und einen besseren Zustand der Oder bis 2027.

Fischsterben hat Verletzlichkeit der Oder gezeigt

„Der Bewirtschaftungsplan für die Oder ist völlig unzureichend. Das können wir nicht hinnehmen“, sagte BUND-Vizelandeschef Thomas Volpers am Montag auf einer Online-Pressekonferenz zur Vorstellung der Klage. Das Fischsterben im vorigen Jahr habe die Verletzlichkeit der Oder gezeigt. Doch allein für Gewässerrandstreifen an der Oder ohne landwirtschaftliche Einträge wolle sich das Land im bisherigen Konzept 22 Jahre Zeit nehmen.

Vertreten wird das Klagebündnis von der renommierten Umweltkanzlei Baumann Rechtsanwälte, die mit ihrer Anwältin Franziska Hess am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg das spektakuläre Schallschutz-Urteil zugunsten der Anwohner am BER-Flughafen durchsetzte. Danach musste das Schallschutzprogramm um 600 Millionen Euro aufgestockt werden.

Ähnlich ist die Stoßrichtung der aktuellen Oderschutz-Klage. Der juristische Hebel ist die vor 23 Jahren verabschiedete EU-Wasserrahmenrichtlinie. Nach der sind die Mitgliedsstaaten nach einer Fristverlängerung (ursprünglich war 2015 festgelegt) nunmehr verpflichtet, bis 2027 einen guten ökologischen Zustand der Gewässer zu erreichen.

Doch der vom Brandenburger Umweltministerium aufgelegte aktuell geltende „Bewirtschaftungsplan Oder“ für 2021 bis 2027 gibt dieses Ziel laut Hess selbst auf. Vierzig Prozent der Maßnahmen, die darin festgelegt seien, sollen demnach erst nach 2027 kommen, sagte Hess. Ein guter ökologischer Zustand werde erst für 2040, in chemischer Hinsicht sogar erst 2045 angepeilt, „das ist zu spät.“

Der Bewirtschaftungsplan für die Oder ist völlig unzureichend. Das können wir nicht hinnehmen.

Thomas Volpers, BUND-Vizelandeschef 

Ziel der Klage sei es nicht, den Bewirtschaftungsplan zu kippen. „Wir haben das klare Ziel, Brandenburg zu verpflichten, nachzulegen.“ Die im Februar 2023 eingereichte Klagebegründung habe über 200 Seiten. Hess verwies darauf, dass nicht einmal die Maßnahmen aus dem Vorgängerplan für die Jahre 2016 bis 2021 umgesetzt wurden, sich der Zustand teilweise verschlechtert habe. In der dieser Zeit waren laut Plan rund 193 Millionen Euro für die Oder vorgesehen, bis 2027 sind es weitere 300 Millionen Euro. Als Begründung, dass bis 2027 ein guter Zustand der Oder nicht erreichbar sei, hat das Umweltministerium laut Hess fehlende Mittel und zu wenig Personal angegeben.

„Das zeigt, dass die Prioritätensetzung der Landesregierung nicht stimmt. An der Oder müssen alle Akteure ihre Hausaufgaben machen, auch die Brandenburger Landesregierung“, mahnte Sabrina Schulz von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). „In der Klimakrise muss der Schutz Gewässer ganz oben stehen.“ Und der Tobias Schäfer von WWF Deutschland nannte es widersinnig, „dass im Bewirtschaftungsplan für eine bessere Gewässerqualität der Oder die fatalen Oderausbaupläne, die diese beeinträchtigen, von vornherein keine Rolle spielen.“

Auf der anderen Seite sei in der Bevölkerung „viel Desinformation“ verbreitet, sagte Holger Seyfahrt von der Bürgerinitiative SaveOderDie. Man müsse aufklären, dass Gewässerschutz keine Abstriche am Hochwasserschutz bedeute. Weitere Unterstützer sind die Heinz-Sielmann-Stiftung, EuroNatur, der Verein der Freunde des deutsch-polnischen Europa-Nationalparks Unteres Odertal.

Man arbeite derzeit an der Erwiderung auf die Klage, erklärte Frauke Zelt, Sprecherin des Umweltministeriums: „Wir bitten deshalb um Verständnis, dass konkrete inhaltliche Stellungnahmen während Verfahrens nicht abgegeben werden können.“ Generell arbeite Brandenburg abgestimmt mit dem Vorgehen andere Bundesländer daran, die EU-Vorgaben umzusetzen. Das Fischsterben im Vorjahr müsse „eine Warnung sein, die Anstrengungen noch mehr zu verstärken“, so Zelt. Die Situation an der Oder bestärke das Ministerium, „die konzentrierte Arbeit an der Verbesserung der Gewässerökologie zu intensivieren und das im künftigen Bewirtschaftungsplan zu verankern.“

Zugleich verweist das Umweltministerium auch darauf, dass in Brandenburg nicht nur die Oder, sondern „fast alle Wasserkörper nicht in einem guten Zustand sind.“ Als gewässerreiches Bundesland habe das Land gegenüber der EU Berichtspflichten zu circa 13.600 Kilometern Fließgewässer und zu 193 Seen. Für alle muss das EU-Reinheitsgebot umgesetzt werden.

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