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Brandenburg: Ohren zu und durch
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Danckert hat früh versucht, Brandenburgs und Berlins Regierungschefs vorm Desaster am Flughafen BER zu warnen. Er wurde ignoriert und für blöd erklärt
Stand:
Potsdam - Die Reaktion kam fast zwei Jahre zu spät. Beim brandenburgischen SPD-Bundestagsabgeordneten Peter Danckert meldete sich im Mai dieses Jahres ein Anrufer mit dem Satz: „Na, du Hellseher!“ Es war Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck. Der hatte gerade zusammen mit seinem Berliner Amtsbruder und Genossen Klaus Wowereit die Eröffnung des Hauptstadtflughafens BER absagen müssen.
Hellseher?! Danckert sagte Platzeck, dass er vieles sei, aber kein Hellseher. Hätten Platzeck und Wowereit ihm zugehört, dann hätten auch sie früh wissen können, wie es auf der Baustelle in Schönefeld aussieht. Jene Baustelle, für die Wowereit und Platzeck als Chefs des Aufsichtsrates der Flughafengesellschaft in letzter Konsequenz verantwortlich sind. Jene Baustelle, die nun nach dreimaliger Verschiebung am 27. Oktober 2013 als Flughafen eröffnet werden soll. Wenn alles gut geht.
21 Monate vor Platzecks Anruf hatte Danckert damit begonnen, Alarm zu schlagen, Platzecks Apparat darauf aufmerksam zu machen, was auf der Baustelle schiefläuft, dass eine Kostenexplosion droht. Einen entsprechenden Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ bestätigte Danckert, der dem Haushalts- und dem Rechtsausschuss des Bundestages angehört, am Sonntag den PNN.
In Danckerts Wahlkreis liegt der Flughafen Schönefeld. Im August 2010 fuhr er nach Potsdam, um sich mit dem Flughafenbeauftragten Platzecks zu treffen. Mit dabei, so berichtet es der „Spiegel“ und so bestätigt es auch Danckert: ein erfahrener Bauingenieur, der sich mit der Flughafenplanung auseinandergesetzt hatte. Sein Fazit laut „Spiegel“: verheerend. „In den Büros hätten Tausende Pläne ungeordnet auf Tischen gelegen, auf der Baustelle herrsche großes Durcheinander; es werde Monate dauern, Ordnung herzustellen“, heißt es in dem Magazin. „Du musst Matthias über das Chaos informieren", sagte Danckert, wie er den PNN bestätigte, zu Platzecks Flughafenmann.
Reaktion: keine.
Weil weder Potsdam noch Berlin irgendwie interessiert waren an näheren Informationen zum Chaos auf der Baustelle, habe er im Oktober 2010 öffentlich nachgelegt, so Danckert. In einem Interview mit der Berliner „B.Z.“ sagte er: „Ich gehe davon aus, dass es zu weiteren bedeutsamen Zeitverzögerungen kommt und zu nicht unerheblichen zusätzlichen finanziellen Belastungen.“
Diesmal erfolgte eine Reaktion. Eine, die ihn noch heute wütend macht: Ein Flughafensprecher wies seine Aussagen als „dummes Geschwätz“ zurück. Wowereit nannte Danckerts Position unverantwortlich. Nachgefragt habe bei ihm niemand. Nicht Platzeck, nicht Wowereit, nicht der Bund, nicht der Flughafen.
Schließlich versuchte er es noch einmal: Er fuhr im Januar 2011 zum Neujahrsempfang der Stadt Teltow (Potsdam-Mittelmark) und stellte dort Platzeck persönlich: „Matthias, das wird alles sehr viel teurer werden und länger dauern, als du denkst“, habe er gesagt, so Danckert.
Reaktion: keine.
„Ich an seiner Stelle wäre elektrisiert gewesen“, sagte Danckert nun dem „Spiegel“. Er hätte an Platzecks Stelle nachgefragt: Woher weißt du das? Mit wem kann ich über die Probleme am Flughafen reden? Doch Platzeck sei nicht darauf eingegangen. Ohne nachzuforschen, was an Danckerts Dauerwarnungen dran sei, habe sich der Regierungschef der Brandenburger auf die Aussagen von BER-Technikchef Manfred Körtgen verlassen, dass alles seinen Gang gehe. Dabei sei es Aufgabe von Aufsichtsräten, die Geschäftsführung zu kontrollieren, deren Aussagen zu hinterfragen. Doch in dem Kontrollgremium, so berichtet es der „Spiegel“ habe man mehr Energie darauf verwendet, einen schönen Namenspatron für den BER zu finden.
Wie man das so macht, mit der Kontrolle als Aufsichtsrat, das durfte sich Platzeck dann bei seinem Hellseher-Anruf von Danckert erläutern lassen. Der Rechtsanwalt erklärte dem Regierungschef, wie er als Aufsichtsrat eines Fleischkonzerns in die Betriebe gefahren sei, sich Zahlen vorlegen lassen und Experten zu Rate gezogen habe. So, wie es eben vorgeschrieben ist im Aktiengesetz. Das fordert von Aufsichtsräten, dass sie sich selbst in die Lage versetzen, die Geschäftsführung kontrollieren zu können – es ermöglicht also auch, eigene Gutachter oder Experten einzusetzen, jederzeit Zahlen und Antworten einzufordern. Danckert monierte auch, dass es nicht reiche, sich als Aufsichtsrat nur alle Vierteljahre zu treffen – die gesetzliche Mindestzahl für Sitzungen – und Berichte von der Geschäftsführung entgegenzunehmen.
Platzeck selbst, dessen Sprecher am Sonntag Anfragen nicht beantworten konnte, hatte nach der geplatzten BER-Eröffnung zum Ausmaß seiner Schuld gesagt: Er hätte misstrauischer sein müssen.
Danckert meint, es hätte gereicht, ihm zuzuhören. Peter Tiede
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