Energiekonzept: Öko-Strom aus Brandenburg reicht ab 2030 für Berlin
Das Brandenburger Wirtschaftsministerium will die Pläne zur künftigen Energiepolitik Anfang kommenden Jahres vorstellen. Die langfristige Energiestrategie solle nach einer öffentlichen Diskussion im Frühjahr verabschiedet werden, teilte das Ministerium am Dienstag in Potsdam mit.
Stand:
Potsdam - Brandenburg und Berlin könnten im Jahr 2030 ihren gesamten Strombedarf durch erneuerbare Energien aus der Mark decken, wenn hier wie bisher neue Wind- und Solarparks errichtet werden. Das ist zumindest das Ergebnis der von Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) am Dienstag veröffentlichten wichtigsten Grundlagenstudie für die mit Spannung erwartete künftige Energiestrategie „Brandenburg 2030“. Diese selbst soll aber nun doch nicht mehr vor Weihnachten 2011, sondern „Anfang kommenden Jahres“ präsentiert werden, heißt es in einer Erklärung. Ein Grund für die Verschiebung ist, dass die SPD in der rot-roten Regierung Sorge vor einem unausgegorenen Schnellschuss hat.
Die 132-Seiten-Studie, die verschiedene mögliche Entwicklungs-Szenarien in Abhängigkeit von politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen beschreibt, wurde vom Kearney and Decision-Institute im Auftrag des Ministeriums erstellt. Brandenburg könnte danach den Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch bis 2030 auf 35 Prozent erhöhen. Jetzt sind es etwa 16 Prozent, womit das Land laut Bundesregierung den deutschen Spitzenplatz einnimmt. Bis die erneuerbaren Energien grundlastfähig seien, über neue Speicher „Energie aus Wind und Sonne rund um die Uhr zur Verfügung stehe“, würden fossile Energieträger „als Unterstützung“ gebraucht.
Allerdings, das ist negatives Ergebnis der Studie, wird Brandenburg selbst dann noch seine bisherigen Klimaschutzziele verfehlen. Die sehen einen Abbau der Treibhausgasemissionen aus der Energiegewinnung bis 2030 auf 22 Millionen Tonnen jährlich vor – derzeit sind es knapp 40 Millionen Tonnen. Sie kommen vor allem aus den Lausitzer Kohlekraftwerken und machen 60 Prozent des Landesausstoßes aus. Doch ging die Regierung früher fest davon aus, dass Kohlekraftwerke ab 2020 mit der inzwischen als nicht durchsetzbar geltenden, umstrittenen CCS-Technologie – der Abscheidung und unterirdischen Lagerung von CO2 – ausgerüstet werden und keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre pusten. Am umstrittensten bleibt, welchen Anteil die Kohle an der Energiegewinnung im Land haben soll. Das neue Gutachten, als auch Christoffers selbst, lassen keinen Zweifel daran, dass Brandenburg auch als Stromexporteur weiter auf Kohlestrom angewiesen sein wird – in Abhängigkeit von Entscheidungen des Vattenfall–Konzerns, ob veraltete Kraftwerke durch neue ersetzt werden. „Wir werden als Option verankern, dass Braunkohleverstromung im Land möglich bleibt“, erklärt Christoffers regelmäßig – was Teilen seiner auf einen Kohleausstieg drängenden Partei negativ aufstößt.
Auch für die Grünen liegt genau hier der Knackpunkt. „Das Problem ist eben, dass die Braunkohle von vornherein sakrosankt gestellt wird“, sagte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. Dass die Strategie noch einmal ein paar Wochen verschoben wird, sei hinnehmbar, „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.“ In der Sache ist aus Sicht der Grünen ein ehrgeizigeres Programm möglich, um Brandenburg und Berlin schneller „und real zu hundert Prozent“ mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen. Die Grünen haben ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben, wie Brandenburg doch seine bisherige Klimaschutzziele einhalten könnte. Es soll auch Anfang 2012 vorliegen.
Die SPD stellt sich auf eine Abkehr von den alten Zielen ein, wie Fraktionschef Ralf Holzschuher andeutete. Ziel sei es, „so schnell wie möglich auf erneuerbare Energien umzusteigen.“ Insbesondere in Berlin mache man es sich oft leicht, so Holzschuher, „auf Brandenburg und die schmutzige Kohle zu zeigen – und dann den Stecker in die Steckdose zu stecken“. FDP-Parteichef Gregor Beyer sagte, eine zu sehr auf das Land fixierte Strategie sei eigentlich „überflüssig“, da es immer auch um die Versorgung Berlins und Exporte gehe. Die CDU-Opposition kritisiert die erneute Verschiebung. Man vermisse vor allem eine Strategie aus „einem Guss“, sagte der zuständige Abgeordnete Steeven Bretz. Neue Wind- und Solarparks entstünden „im Wildwuchs eines Manchesterkapitalismus“. Der Verzicht auf landespolitische Steuerungsmöglichkeiten sei „insbesondere für eine rot-rote Regierung paradox“.
Massive Kritik üben auch Umweltorganisationen, die auch die fehlende Einbeziehung in die Erarbeitung der Expertise rügen. So werde Brandenburg keine Energiewende gelingen, erklärte Anike Peters für Greenpeace Hamburg. Für den BUND Brandenburg wiederum ist klar, dass Brandenburg nur im Klimaschutz erfolgreich sein kann, wenn das Land mittelfristig aus der Braunkohle aussteigt. Und zwar schrittweise, zunächst müsse man bis 2020 das veraltete Kraftwerk in Jänschwalde stilllegen.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: