Energiewende: Ökostrom-Primus mit Erklärungsbedarf
In Brandenburg stößt der Vorschlag von Bundesumweltminister Altmaier (CDU) für ein neues Erneuerbare-Energien-Gesetz auf wenig Gegenliebe. Diakonie: Energiewende nicht bremsen
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Potsdam/Berlin - Bereits zweimal in Folge ist Brandenburg für den Ausbau der Erneuerbaren Energien mit dem sogenannten Leitstern ausgezeichnet worden. Im Dezember will die Agentur für Erneuerbare Energien in Berlin den bundesweiten Preis zum dritten Mal vergeben. Mehrfach hatte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) in den zurückliegenden Monaten angekündigt, einen Hattrick anzustreben. Möglicherweise aber hat sich die Auszeichnung ohnehin überholt. Denn beim Ausbau will Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) die Bundesländer künftig an die Leine legen. In Berlin stellte der Minister am Donnerstag Vorschläge zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vor. Um den Ausbauwettbewerb in Deutschland zu drosseln und so einen weiteren Anstieg der Stromkosten zu vermeiden, will Altmaier unter anderem „Möglichkeiten zur geografischen und regionalen Steuerung“ ins EEG aufnehmen.
Von Brandenburgs Landesregierung ist der Vorstoß Altmaiers am Donnerstag entsprechend verhaltend aufgenommen worden. „Es ist weder ein Signal für den Vorrang Erneuerbarer Energien und für mehr Klimaschutz noch eine Kampfansage gegen ständig steigende Strompreise“, erklärte etwa Umweltministerin Anita Tack (Linke). Eine grundlegende Reform des EEG sei allerdings unbestritten und überfällig, räumte Tack ein. Dem Bundesumweltminister jedoch wirft sie vor, auf der falschen Seite zu stehen. „Nach Röttgen droht nun offenbar auch Altmaier an der Energielobby zu scheitern.“
Steffen Streu, Sprecher in Brandenburgs Wirtschaftsministerium, sprach lediglich von „ersten Ideenskizzen“ Altmaiers. Allerdings würden Zahlen und Rahmenbedingungen fehlen, die eine qualifizierte Bewertung überhaupt ermöglichen. Auch was der Bundesminister mit regionaler Steuerung meint, müsse in der Diskussion erst geklärt werden, so Streu.
Im kommenden Jahr beträgt die sogenannte EEG-Umlage, mit der die Ausbaukosten über den Strompreis auf die Allgemeinheit umgelegt wird, etwa 5,3 Cent pro Kilowattstunde nach 3,6 Cent in diesem Jahr. Dem Vergleichsportal Verivox zufolge erhöhe sich der Strompreis dadurch um sieben Prozent. Bereits im Frühjahr hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung wegen der ausufernden Umlage die Solarförderung gestutzt. Nun solle es laut Altmaier „ähnliche Festlegungen auch für Wind und Biomasse“ geben. Allein in Brandenburg ist die Zahl der Windräder von 2033 Stück im Jahr 2005 auf 3038 Ende vergangenen Jahres gestiegen. Aus 156 Biogasanlagen vor vier Jahren wurden 248. Die Photovoltaik-Leistung stieg von 2006 bis 2010 um 2,4 Prozent.
Ihre Ausbauziele hat die brandenburgische Landesregierung in der sogenannten Energiestrategie 2030 festgeschrieben. Ende Februar hatte das rot-rote Kabinett das Konzept verabschiedet. Demnach soll der Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch auf 40 Prozent ausgebaut werden. Allerdings hält das Land auch weiter an der umstrittenen, weil klimaschädlichen Braunkohleverstromung fest. Einer Studie im Auftrag der Grünen-Landtagsfraktion Brandenburgs zufolge könnte das Land jedoch bereits heute die gesamte Hauptstadtregion zu hundert Prozent durch Strom aus Erneuerbaren Energien versorgen. In der Energiestrategie jedoch hält die Landesregierung an der Rolle Brandenburgs als Stromexporteur fest: Deutlich mehr als die Hälfte des erzeugten Stroms würde exportiert, heißt es in dem Papier. Neben Berlin werde ein Teil auch über Polen und Tschechien nach Bayern geleitet, heißt es aus dem von Linke-Minister Ralf Christoffers geführten Wirtschaftsministerium. Von zentral gesteuerten Ausbauzielen hält man bei der Agentur für Erneuerbare Energien wenig. „Länder wie Brandenburg haben beim Ausbau der Erneuerbaren Energien eine Vorbildfunktion“, sagte Geschäftsführer Philipp Vohrer am Donnerstag den PNN. Vom zügigen Ausbau profitiere schließlich die gesamte Republik. „Das merkt man an positiven Wirtschaftseffekten wie neuen Arbeitsplätzen oder kommunaler Wertschöpfung“, so Vohrer.
Auch der Energieexperte der Grünen im Landtag, Michael Jungclaus, hält eine zentrale Festschreibung der Ausbauziele für falsch. „Die EEG-Vergütung abzusenken, halte ich für nachvollziehbar und angebracht. Aber der Ausbau Erneuerbarer Energien nach festgelegten Quoten ist unsinnig“, erklärte er. Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien müsse Brandenburg keineswegs seine Ziele überdenken. „Eine Exportverpflichtung über Berlin-Brandenburg hinaus sehe ich aber nicht.“
Die gestiegenen Strompreise nur dem Ausbau der Erneuerbaren Energien anzulasten, sei ohnehin absurd, solange die Bundesregierung immer mehr Unternehmen von der Umlage befreit, sagte Jungclaus. „Dies hat zur Folge, dass die Energiewende auf immer weniger Schultern verteilt wird und damit besonders Einkommensschwache belastet werden.“
Martin Matz, Vorstandsmitglied des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, hält Altmaiers Argument ebenfalls für unglaubwürdig: Selbstverständlich seien steigende Energiepreise für Menschen im Transferleistungsbezug oder Beschäftigte im Niedriglohnbereich ein Problem. „Unsere Forderung an die Politik muss daher sein, die Energiewende nicht zu bremsen, aber die Bezahlbarkeit von Energie für Niedrigverdienende trotzdem zu sichern“, so Matz. Schwarz-Rot im Bund habe damals etwa beim Wohngeld einen Heizkostenzuschlag eingeführt, den Union und FDP aber wieder abgeschafft haben, kritisierte der Diakonie-Vorstand.
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