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Treibhausgas statt Klimaschutz. Im Ökostromvorzeigeland Brandenburg ist der CO2-Ausstoß zuletzt gestiegen. Mehr als die Hälfte der Emission stammt aus Braunkohlekraftwerken wie hier in Jänschwalde (Spree-Neiße).

© dpa

Brandenburg: Ökostromprimus mit Schattenseiten Brandenburg ist führend beim Ausbau erneuerbarer Energien. Die Zeche dafür zahlen aber die Verbraucher

Potsdam/Berlin - Bereits zweimal in Folge ist Brandenburg für den Ausbau der erneuerbaren Energien mit dem sogenannten Leitstern ausgezeichnet worden und am heutigen Donnerstag wird das Land nach PNN-Informationen in Berlin den bundesweiten Preis zum dritten Mal erhalten. Schon in den vergangenen Monaten hatte es seitens der Agentur für erneuerbare Energien (AEE), die den Preis auslobt, geheißen, die Chancen stünden gut.

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Potsdam/Berlin - Bereits zweimal in Folge ist Brandenburg für den Ausbau der erneuerbaren Energien mit dem sogenannten Leitstern ausgezeichnet worden und am heutigen Donnerstag wird das Land nach PNN-Informationen in Berlin den bundesweiten Preis zum dritten Mal erhalten. Schon in den vergangenen Monaten hatte es seitens der Agentur für erneuerbare Energien (AEE), die den Preis auslobt, geheißen, die Chancen stünden gut. Auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zeigte sich vergangene Woche optimistisch. Bei der Grundsteinlegung für eine CO2-neutrale Tankstelle am künftigen Großflughafen BER , an der Wasserstoff aus überschüssiger Windenergie angeboten werden soll, brüstete sich der Regierungchef mit den Leitsternen von 2008 und 2010 und meinte, vielleicht schaffe man ja demnächst den Hattrick. Doch der Erfolg des Landes beim Ökostromausbau hat auch eine Kehrseite: hohe Preise für die Privathaushalte und Unternehmen im Land.

Zumindest im Grundversorgertarif müssen Stromverbraucher in Brandenburg oft mehr als 30 Cent je Kilowattstunde zahlen – etwa fünf Cent mehr als Kunden andernorts. Dies liegt, entgegen einer weit verbreiteten Annahme, weniger an der berühmt-berüchtigten Erneuerbare-Energien-Umlage, mit der Hunderte Stromversorger bundesweit unlängst ihre Preiserhöhungen zum Jahreswechsel begründen. Die wird nämlich bei allen deutschen Stromkunden – sofern sie als industrieller Großverbraucher nicht befreit sind – zu einem festen Satz eingetrieben, um davon Wind- und Solarparkbetreiber zu bezahlen. Im Land Brandenburg treiben vielmehr die hohen Kosten für die Anschlüsse dieser Wind- und Solarparks die Kosten hoch. Und die werden nur auf Kunden im Anschlussgebiet des jeweiligen Übertragungsnetzbetreibers umgelegt.

Im Norden Brandenburgs ist Eon Edis für die Stromverteilung in der Fläche zuständig. Im Süden bei Cottbus ist es die RWE-Tochter Envia M. Beide Unternehmen müssen die vielen Grünstromanlagen anschließen und geben die Kosten dafür - nach Genehmigung durch die Bundesnetzagentur - an die Stromhändler in ihrem Anschlussgebiet und damit an die Endkunden weiter. Beide Übertragungsnetzbetreiber haben zum Jahreswechsel bereits drastische Erhöhungen der Stromnetzentgelte angekündigt, Envia M um zwölf Prozent, ein „deutlicher Anstieg gegenüber den Vorjahren“, wie ein Envia M-Sprecher einräumt. Das Problem: Beide Betreiber haben ein langes Leitungsnetz und wegen der Grünstromerzeugung hohe Kosten für den Ausbau – aber nur wenige Kunden, auf die sie die Kosten auch umlegen können. Daher ist Strom im Land Brandenburg so teuer. Die Landesregierung fordert seit Jahren, unabhängig von ihrer politischen Zusammensetzung, dass auch diese Netzentgelte bundesweit auf alle deutschen Stromkunden umgelegt werden und nicht nur in der Region bezahlt werden, wo die Solardächer und Windräder stehen. Bisher aber ohne Erfolg.

Allerdings wäre das Problem um ein Vielfaches kleiner, meint Axel Kruschat, Energieexperte und Geschäftsführer bes Landesverbandes Brandenburg beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), wenn die rot-rote Landesregierung neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien nicht noch an der Braunkohleverstromung festhalten würde. Schließlich müssten die Netze nicht nur den wachsenden Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien aufnehmen, sondern weiterin auch den Braunkohlestrom. „Was die Landesregierung in ihrer Strategie vorsieht, ist für uns alle deshalb das Teuerste. Durch die gleichzeitige Braunkohlevertsromung ist ein maximaler Netzausbau notwendig. Bezahlen müssen das die Stromkunden“, kritisiert Kruschat. Zumal nicht die kleinen regionalen 110 KV-Leitungen, etwa von einem Windpark in das regionale Verteilnetz, viel Geld kosten, sondern die großen 380 KV-Leitungen, also die sogenannten Stromautobahnen. Die seien unter anderem auch notwendig, weil Brandenburg nach Ansicht der Landesregierung ein Stromexporteur sein müsse, so der BUND-Landeschef. Bei der Energiepolik verfolge Rot-Rot offensichtlich allein wirtschaftliche Aspekte, der Klimaschutz spiele dabei keine Rolle.

Kritik übt Kruschat in diesem Zusammenhang auch an der AEE und der Vergabe des Leitsterns. „Die Macher müssen sich mal langsam fragen, ob sie immer wieder ein Bundesland auszeichnen wollen, das beim Klimaschutz gar nichts erreicht.“ Schließlich sei der Ausstoß des Treibhausgases CO2 in Brandenburg in den vergangenen Jahren wieder gestiegen, zuletzt um 1,1 Millionen Tonnen auf insgesamt 57 Millionen Tonnen. Dabei betrug der Anteil der Braunkohleverstromung wie berichtet 36,3 Millionen Tonnen. „Die Agentur rechnet zwar vor, wie viel Strom aus fossilen Quellen theoretisch durch den Ausbau der erneuerbaren Energien ersetzt werden könnte, aber es wird nicht gefragt, ob das auch wirklich passiert“, ärgert sich der Energieexperte.

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