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Brandenburg: Oper im Schweinestall

Ein kleines Dorf in der Prignitz probt im Schweinestall Purcells Oper „Dido und Aeneas“. Und alle Dorfbewohner machen mit

Stand:

Klein Leppin - Eine Operninszenierung im Schweinestall? Steffen Tast, künstlerischer Leiter und Mitbegründer des Projekts „Dorf macht Oper“, ist erstaunt: „Wo denn sonst?“ In Klein Leppin, einem 70-Seelen-Dorf in Brandenburg in der Prignitz an der Grenze zu Sachsen-Anhalt, gibt es weder Kirchturm noch Kindergarten. Stattdessen befindet sich vor dem Haus des Orchestermusikers Tast ein grauer, zweigeschossiger, hässlicher Kasten: der ehemalige Schweinestall.

Anfangs hat sich Tast über den Anblick noch geärgert, nachdem er 1994 aus Berlin ins idyllische Dörfchen gezogen war. Als sein Vater aber auf die Idee kam, eine Oper zu inszenieren, ein musikalisches Format, an dem sich alle Dorfbewohner beteiligen könnten, kam der Schweinestall vor Tasts Haustür gerade gelegen: Er ist nicht nur geräumig, sondern liegt auch im Zentrum des Dorfes. Außerdem konnte so der ehemalige Arbeitsort der Dorfbewohner wieder zum Leben erweckt werden. Schon einige Male hatte Tast Hauskonzerte in Klein Leppin veranstaltet, um Kunst und Kultur ins Dorf zu holen.

Für sein Opernprojekt musste der Berufsmusiker nicht lange trommeln. 2003 gründete er den Verein Festland. 2005 wurde die erste Oper, „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber, inszeniert. Es folgten in den Jahren darauf „Romeo und Julia“ und „Ein Sommernachtstraum“ von William Shakespeare.

Inzwischen hat sich für das alljährliche Projekt „Dorf macht Oper“ ein buntes, 150-köpfiges Ensemble zusammengefunden: Unter anderem gibt es einen Opernchor, bestehend aus musikbegeisterten Bürgern der Region, und ein Orchester mit Mitgliedern des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. Hinzu kommen junge Sänger, oft Studenten und junge Absolventen verschiedenster Musikschulen des Landes, sowie viele Kinder.

Mittlerweile geht „Dorf macht Oper“ ins siebte Jahr. Unter Theaterleuten gilt das Projekt als Geheimtipp, für Dorfbewohner und Beteiligte ist es nicht mehr wegzudenken. Und auch die Zuschauer kommen in Scharen. Die Idee, Hochkultur als Schule der Kreativität im ländlichen Raum anzubieten, hat sich offenbar bewährt. 2010 wurde „Dorf macht Oper“ mit dem Preis für kulturelle Bildung des Staatsministers für Kultur und Medien ausgezeichnet. Die eigenwillige Sicht auf Opernwerke, die aus der direkten Konfrontation mit dem ländlichen Aufführungsort entsteht, findet offensichtlich auch überregional Anklang. Längst ausverkauft ist die diesjährige Aufführung „Dido und Aeneas“ des englischen Komponisten Henry Purcell.

Einen professionellen Theaterbetrieb mit regelmäßigen Aufführungen und mehreren Stücken im Spielplan lehnt das Opernensemble ab. „Die meisten machen ehrenamtlich mit, das wollen wir nicht ausnutzen“, sagt Regisseurin Mira Ebert. Außerdem sei die Aufführung der Oper, auf die wochenlang hingearbeitet wird, eigentlich nur ein Nebenprodukt, sagt Tast.

Sechs Monate nehmen sich die Beteiligten Zeit, um das Stück gemeinsam zu entwickeln, sich langsam an die Geschichte des Stückes heranzutasten. Begleitend gibt es etwa künstlerische Workshops für Kinder und Jugendliche. In diesem Jahr ist vor dem Schweinestall auch ein „Opernpark“ geplant. 70 Architekturstudenten der TU-Berlin wollen ab dem 29. Juni sechs Themenpavillons errichten, unter anderem ein begehbares Wasserxylophon, eine Ein-Buch-Bibliothek und einen Grillpalast.

Überlegungen der Künstlergruppe um Tast, „Dorf macht Oper“ einmal pausieren zu lassen, haben die Dorfbewohner bislang zurückgewiesen: „Was sollen wir dann machen?“, heißt es in dem grünen Flecken. Trotz des ehrenamtlichen Engagements der Beteiligten wie etwa der Musiker vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin ist das Projekt auf Sponsoren angewiesen. Fördergelder müssen jedes Jahr neu beantragt werden.

Bis zur diesjährigen Aufführung am 14. und 15. Juni stehen noch einige Proben an. Für Dienstag nach Pfingsten ist die einzige Probe mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester im Haus des Rundfunks in Berlin angesetzt. In die Planung für das kommende Jahr steigt das Ensemble von „Dorf macht Oper“ dann im September ein. Der zur „Festspielhalle“ mutierte Schweinestall bleibt in der Zwischenzeit nicht ungenutzt: Kulturelle Veranstaltungen finden hier genauso ihren Platz wie Einheimische und Pilgerer. Denn Klein Leppin liegt auch an einem Pilgerweg.

Dorf macht Oper 2014 – „Dido und Aeneas“, Barockoper von Henry Purcell: Voraufführung mit Klavier am 9. Juni um 16.30 Uhr (Eintritt für Erwachsene 8 Euro und für Kinder 4 Euro), öffentliche Generalprobe am 13. Juni um 17 Uhr (Eintritt frei, Spenden willkommen), Aufführungen am 14. Juni um 16.30 Uhr und 20 Uhr sowie am 15. Juni um 13 Uhr und 16.30 Uhr (jeweils Eintritt für Erwachsene 12 Euro und für Kinder 6 Euro). Aufführungsort: FestSpielHaus Klein Leppin, Klein Leppiner Straße 26 c, 19339 Plattenburg.

www.dorf-macht-oper.de

Sibylle Sperling

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