BER-Skandal: OVG entscheidet über fehlenden BER-Schallschutz
Die Missstände und Rückstände um den fehlenden Schallschutz am Flughafen „Willy Brandt“ in Schönefeld beschäftigen in Kürze die Justiz.
Stand:
Potsdam - Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) wird voraussichtlich noch im Juni über Anwohner-Klagen entscheiden, die auch Auswirkungen auf den neuen Eröffnungstermin am 17. März 2013 haben können. Ziel sei es, die Eröffnung so lange herauszuschieben, „bis auch der rechtlich gebotene Schallschutz für die Bewohner im Einwirkungsbereich des Flughafens BER von der Flughafengesellschaft (FBB) sichergestellt ist“, teilte die Kanzlei Baumann Rechtsanwälte (Würzburg/Leipzig), die einige Anwohner vertritt, am Donnerstag mit. „Das kann bei dem jetzigen Tempo, mit dem die FBB Schallschutzfenster und Belüftungen einbauen lässt, noch Jahre dauern.“ Andere Musterklagen beim OVG mit ähnlicher Stoßrichtung kommen von in der Region lebenden Mitgliedern des Anti-Flughafen Bürgervereins Berlin Brandenburg (BVBB). Besonders brisant dabei ist, dass mit den Verfahren geklärt werden soll, ob das bislang praktizierte Schallschutzprogramm für 14 000 Wohnungen des sogenannten Tagschutz-Gebietes gegen den Planfeststellungsbeschluss verstößt und wiederholt werden muss.
„Die Frage, wie der Planfeststellungsbeschluss auszulegen ist, wird sicher mit entschieden werden“, bestätigt Anwalt Wolfgang Baumann. Konkret soll mit der Klage das Brandenburgs Infrastrukturministerium (MIL) als Planfeststellungsbehörde gezwungen werden, den Flughafen zu verpflichten, dass die betroffenen Anwohner des BER bereits zur Eröffnung ausreichend, rechtskonform gegen Fluglärm geschützt sein müssen. Bisher sind erst in knapp 2000 von 25 500 Wohnungen Schallschutzfenster eingebaut, hat der Flughafen zwar 14 000 Bewilligungen verschickt, deren Grundlagen aber zweifelhaft sind.
Denn der Flughafen ignoriert eine Auflage das Infrastrukturministeriums (MIL) vom 5. Dezember 2011, wonach laut Planfeststellungsbeschluss in den 14 000 Wohnungen des Tagschutzgebietes die Lärmschutzvorkehrungen so sein müssen, dass kein Flugzeug im Inneren ein Gespräch stören, kein Maximalpegel lauter als 55 dB sein darf. Das BER-Lärmschutzprogramm geht in der Dimensionierung der Schallschutzfenster aber von sechs Überschreitungen der 55 Dezibel aus, finanziert also nur weniger aufwendige, billigere Fenster – wofür sich der Flughafen nun nachträglich über eine beim MIL beantragte förmliche Änderung des Planfeststellungsbeschlusses, bezeichnet als „Klarstellungsantrag“, grünes Licht holen will. Das MIL hat eine andere Position, will in diesem Jahr aber nicht mehr über den Antrag der Flughafengesellschaft entscheiden, was Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) am Donnerstag überraschend im Fachausschuss mitteilte. Die Hintergründe, weshalb das Ministerium die Entscheidung verzögert, während die Flughafengesellschaft im Gegensatz zur MIL-Auflage geringer dimensionierte Schallschutzfenster einbauen lässt, sind unklar.
Die Opposition reagierte empört. Die CDU fordert in einer kleinen Anfrage eine Erklärung. Die Grünen warfen der Landsregierung vor, „grob fahrlässig“ zu handeln. „Die Landesregierung weiß seit einem Jahr, dass die Flughafengesellschaft bei der Umsetzung des Schallschutzprogramms ein Schutzniveau zugrunde legt, dass dem rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss widerspricht“, erklärte der Abgeordnete Michael Jungclaus. Doch seither sehe „sie tatenlos zu, wie Lärmschutzfenster eingebaut werden, die später voraussichtlich wieder herausgerissen werden müssen“. Allerdings bekommt das MIL nun vom OVG womöglich Entscheidungshilfe. Anwalt Baumann äußerte sich zuversichtlich, dass mit der Klage dem FBB-Änderungsantrag zu Ungunsten der Anwohner „die Grundlage entzogen“ werde, dass das OVG dem Planfeststellungsbeschluss die Verpflichtung entnehme, dass keine höheren Maximalpegel als 55 dB in den Wohnungen auftreten dürfen. Wenn das so wäre, müsste das Schallschutzprogramm von vorn beginnen. Flughafenchef Schwarz bezifferte die Kosten bereits auf mindestens 250 Millionen Euro, die bisher nirgends eingeplant sind.
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