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Abgang. Die Landeschefin der CDU Brandenburg, Saskia Ludwig, nach einer Rede auf dem Landesparteitag in Potsdam 2011. Sie wird zum Rücktritt als Chefin von Fraktion und Partei gedrängt.

© Gabbert/dapd

Brandenburg: P-SL 214

Saskia Ludwig wollte bei der Wahl 2014 die SPD bezwingen. Doch ihr Rechtsaußen-Kurs ist in der CDU nicht mehrheitsfähig. Heute will die Fraktionschefin die Vertrauensfrage stellen. Auch den Landesvorsitz soll sie abgeben, fordern mehrere Landräte

Stand:

Potsdam - Nein, kein Kommentar, nicht vor Dienstag. „Ich gehe jetzt erstmal hinauf“, sagt Saskia Ludwig nur, im roten Kleid, lächelnd, selbstsicher wie eh und je, ganz so, als wäre nichts geschehen. Es ist gegen 13 Uhr, vor dem Landtag ist die schwarze Limousine der CDU-Fraktionschefin vorgefahren, die schon seit längerem ein symbolisches Nummerschild mit ihren Initialen trägt: „P-SL 214“. Gemeint ist, wie in der CDU kursiert, die nächste Landtagswahl 2014, bei der Ludwig Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) stürzen wollte. Nun kämpft die 44-jährige Fraktions- und Parteichefin, die als leidenschaftliche Streiterin gegen Staatswirtschaft gilt, für schonungslose Aufarbeitung der DDR- und Stasi-Vergangenheit stritt, jedweden „Kuschelkurs“ mit der SPD ablehnt, plötzlich selbst um ihr Überleben.

In einem dramatischen Machtkampf überschlagen sich seit dem Wochenende die Ereignisse. Ludwig, seit gut zwei Jahren Partei- und Fraktionschefin, will am heutigen Dienstag die Vertrauensfrage in der Landtagsfraktion stellen, nachdem sie vom Fraktionsvorstand und in einem Brief aller Landräte mit CDU-Parteibuch zum Rückzug aufgefordert wurde. Und sie? Ludwig lehnt dies bislang ab, auf einer Facebookseite „Wir für Saskia Ludwig“ versuchen Getreue seit Montag, Unterstützer zu mobilisieren. Und die Anti-Merkel-Aktion „Linkstrend stoppen!“, die für einen konservativen Kurs der Bundespartei eintritt, rief für den heutigen Dienstag zu einer Spontandemonstration vor dem Landtag zur Unterstützung Ludwigs auf. Aus der Fraktion sprang ihr am Montag öffentlich der Abgeordnete Ludwig Burkhardt aus dem eigenen, mitgliederstärksten Kreisverband Potsdam-Mittelmark bei, freilich, sonst kaum jemand. Das Fass zum Überlaufen brachte Ludwigs jüngster Wortlaut-Beitrag im Rechtsaußen-Blatt „Junge Freiheit“, mit dem sie sich, wie PNN berichteten, nach mehrmonatiger Abwesenheit aus dem Mutterschutz zurückgemeldet hatte und trotz interner massiver Kritik bislang öffentlich nicht davon abrückte.

Die Führungsspitze der Fraktion forderte Ludwig am Montag geschlossen zum Rückzug auf. Der Fraktionsvorstand sieht keine Vertrauensbasis mehr, was der parlamentarische Geschäftsführer Ingo Senftleben auf Anfrage bestätigte. Zu Einzelheiten und Beweggründen wollte er sich nicht äußern. Zum Vorstand gehört auch der bishere Vertraute, Vize-Fraktionschef Dieter Dombrowski, zugleich Generalsekretär der Brandenburger CDU und Vorsitzender des einflussreichen Havelland-Kreises, der Ludwig in deren mehrmonatiger Abwesenheit vertrat und offenbar nach Vorabsprachen deren Nachfolger werden soll. Mitglieder sind auch Senftleben und Michael Schierack, der auch Vizeparteichef ist. Gleichzeitig haben alle vier Landräte mit CDU-Parteibuch in einem Schreiben ihren Rücktritt von beiden Ämtern gefordert. Auch Brandenburger Unionsabgeordnete im Bundestag plädieren dem Vernehmen nach für einen Neuanfang.

In dem fordern die CDU-Landräte Christian Jaschinski (Elbe-Elster), Siegurd Heinze (Oberspreewald-Lausitz), Harald Altekrüger (Spree-Neiße) und Hans Lange (Prignitz) sowie vom CDU-Baubeigeordneten Carl-Heinz Klinkmüller (Dahme Spree) einen Neuanfang. Sie begründen dies mit dem jüngsten umstrittenen Ludwig-Beitrag, in dem sie auch Medien Brandenburgs als angeblich SPD- und Staatskanzlei-gelenkt angegriffen hatte. In dem Brief „distanzieren“ sie sich von der „völlig überzogenen Kritik gegenüber der gesamten Presselandschaft im Land“ sowie von ihren „Veröffentlichungen in einem rechtspopulistischen Blatt und von der Art und Weise ihrer Wortwahl, die nicht der einer demokratischen Partei entspricht“. Weiter heißt es: „Resistent gegenüber einer toleranten und weltoffenen Ausrichtung unserer Partei reduzieren Sie als Landesvorsitzende die CDU öffentlich auf das Merkmal des Konservatismus.“ Man habe mit Ludwig „keine Gemeinsamkeit mehr, weil wir das Gefühl haben, nicht mehr in der gleichen Lebenswelt zu Hause zu sein.“

Ludwig gibt nicht auf. Dem Vernehmen nach versuchte sie, in Einzelgesprächen eine Fraktionsmehrheit zu schmieden. Im Vorstand war ihr bedeutet worden, dass ihr die Abwahl drohe, wenn sie nicht selbst den Weg für einen Neuanfang freimacht. Der Landtagsfraktion droht nun eine Zerreißprobe. Sollte sie nicht gehen, es womöglich schaffen, eine knappe Mehrheit zu bekommen, würde der Fraktionsvorstand geschlossen zurücktreten.

Sie selbst ließ sich am Montag äußerlich nichts anmerken, ging regulär in die Sondersitzung des Hauptaussschusses zum BER-Skandal, wo sie sich auf Antrag der SPD konkret zu ihrem in der „Jungen Freiheit“ erhobenen Vorwurf äußern sollte, dass die Berichterstattung brandenburgischer Medien von der Staatskanzlei und der SPD gelenkt worden sei. Ludwig ging darauf nicht direkt ein, verwies aber demonstrativ auf die im Grundgesetz verankerte Presse- und Meinungsfreiheit, die auch in Brandenburg gelte, – und ging zum Gegenangriff über: „Der Versuch der SPD, auch noch in Anwesenheit des Ministerpräsidenten die Meinungsfreiheit einzuschränken, ist im wiedervereinten Deutschland ein einmaliger Vorgang.“

Schon letzte Woche hatte sich Ludwig auf einer Fraktionsklausur einhellige Kritik anhören müssen. Dass es nicht bereits dort zu Rücktrittsforderungen kam, begründen Vorstandsmitglieder mit der Anwesenheit von Mitarbeitern und dem Berliner Ex-Senator Peter Radunski, der als Wahlkampfprofi einen Vortrag hielt und der Aussprache beiwohnte. Daher sei die Auseinandersetzung nicht mit voller Kraft und Schärfe geführt worden. Seitdem liefen die Drähte zwischen Mitgliedern des Vorstands und der Fraktion heiß, um Ludwigs Ablösung vorzubereiten.

Offen Kritik daran äußerte, wie gesagt, nur der CDU-Abgeordnete Ludwig Burkardt aus Kleinmachnow. Er finde es „menschlich unanständig“, den Mutterschaftsurlaub Ludwigs zu nutzen, um Stimmung gegen sie zu machen und „sich selbst an die Spitze der Fraktion zu putschen“. Das schade der Partei und festige die verkrusteten Strukturen der SPD-Herrschaft. Ein Satz aber könnte sich mit Blick auf die Wahl 2014 als wahr herausstellen: Dass nämlich „bei der CDU Brandenburg eine geeignete personelle Alternative auf weiter Flur nicht zu sehen ist“.

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