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Enquete-Kommission: „Passt nicht in die Zeit“

Der Historiker und Stasi-Experte Christian Booß appelliert an SPD-Ministerpräsident Platzeck, für eine Ende der rot-roten Sabotage der Enquete-Kommission zu sorgen

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Potsdam - Um die Enquete-Kommission zu den Folgen der SED-Diktatur und zur Stasi-Aufarbeitung in Brandenburg kehrt keine Ruhe ein: Erneut hat ein Gutachter der von Ministerpräsidenten Matthias Platzeck geführten SPD/Linke-Regierung offen vorgeworfen, die Arbeit des aus Wissenschaftlern und Politikern zusammengesetzten Gremiums zu torpedieren. Diesmal ist es der Journalist und Historiker Christian Booß, der in einem eher nachdenklichen, mehrseitigen offenen Brief an Platzeck angesichts fehlender Unterstützung durch Regierung und Landesinstitutionen appelliert, „korrigierend einzugreifen.“ Booß soll derzeit im Auftrag der Kommission, die der Landtag voriges Jahr einstimmig eingesetzt hatte und die zwischenzeitlich in einen Strudel heftiger Auseinandersetzungen geraten ist, ein Gutachten über die Transformation der DDR-Landwirtschaft nach 1990 sowie mit einer Einschätzung zur Stasi-Überprüfung von Rechtsanwälten in Brandenburg erarbeiten. Doch nun äußert Booß aufgrund eigener Erfahrungen den Verdacht, dass es eine Strategie von SPD und Linke sein könnte, „Enqueteexperten zu vergraulen“.

So beklagt Booß, dass Anfragen an die Regierung „nur äußerst schleppend bearbeitet“ werden. In einem Fall warte er seit fünf Monaten auf Antwort, in einem anderen Fall seien die Antworten „nichtssagend knapp bzw. offenkundig fehlerhaft“. Für Booß steht das in einer Reihe mit den heftigen Angriffen von SPD-Alt-Ministerpräsident Manfred Stolpe, aber auch von Landtagsfraktionschef Ralf Holzschuher auf die Enquete-Kommission und von ihr beauftragte Experten im Zusammenhang mit dem Gutachten zur Stasi-Überprüfungspraxis im Land vor der Sommerpause.

„Ihre Regierung und Ihre Partei können so weitermachen, die Enquete kann man so schädigen oder gar totmachen, den Ruf des Landes allerdings auch“, schreibt Booß. Doch „ein aufklärungsfeindlicher Geist passt nicht in diese Zeit.“

Sein Brief wird ein Nachspiel in Landtag und Enquete-Kommission haben, wenn diese nach der  Sommerpause ihre Arbeit wieder aufnehmen. FDP-Obfrau und Vize-Fraktionschefin Linda Teuteberg forderte Platzeck, der an diesem Montag nach seinem Sommerurlaub seine Amtsgeschäfte wieder aufnimmt, zur Zurückhaltung im Umgang mit der Kommission auf. Auch Platzeck hatte die Kommission öffentlich kritisiert. „Es steht der Regierung gar nicht zu, die Arbeit eines Parlamentsgremiums zu kommentieren“, sagte Teuteberg am Sonntag den PNN. Vielmehr sollte die Landesregierung den Gutachtern und der Kommission, die Schlussfolgerungen aus Versäumnissen der Nachwendezeit in der „kleinen DDR“ erarbeiten soll, alles, was sie an Informationen und Erkenntnissen beitragen kann, auch engagiert zur Verfügung stellen. Offensichtlich, so Teuteberg weiter, „gibt es dabei Mängel, Herr Booß ist mit seinen Klagen nicht allein“.

Mit „größtem Verständnis“ reagierte auch CDU-Generalsekretär und Kommissionsmitglied Dieter Dombrowski auf den Brief, „ausdrücklich auch für die Form einer öffentlichen Äußerung als auch für die Schärfe.“ Dies sei zwar „ungewöhnlich, aber man muss auch bedenken, dass sich der Regierungschef selbst und die SPD sowie Alt-Ministerpräsident Manfred Stolpe in ungewöhnlicher Form und Schärfe von außen zu Wort gemeldet haben“, nämlich „auf dem Sommerfest der SPD in Potsdam“. Dort hatte Stolpe mit Blick auf die Kommission und Medien von „Hetze“ gesprochen. Es dränge „sich der Eindruck auf, dass es Ziel ist, die Enquete-Kommission von außen zu zerschießen.“ Dombrowski erinnerte daran, dass Platzeck die Enquete-Kommission von Anfang an verhindern wollte, dass der Regierungschef in der Vorbereitungsphase persönlich die Fraktionschefs der Grünen und der FDP angerufen hatte, um die Einrichtung zu verhindern. Stattdessen habe Platzeck lediglich einen Sonderausschuss aus Landtagsabgeordneten gewollt. „Offensichtlich gab und gibt es eine große Angst vor den unabhängigen Wissenschaftlern, die – anders als in einem Sonderausschuss – mit in der Enquete-Kommission sitzen“, erklärte Dombrowski. Es stecke System dahinter, Gutachten und Gutachter anzugreifen, wobei Dombrowski die Kritik vor allem an die SPD richtet. Bei der Linken sehe er kaum Probleme, „da die sich überhaupt nur sehr begrenzt für die Kommission“ interessiere.

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