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Brandenburg: „Platzeck hatte konservative Wertvorstellungen“

Ein Brandenburger der ersten Stunde: Hans Otto Bräutigam erinnert sich – Auszüge aus seinem neuen Buch im exklusiven Vorabdruck

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Hans Otto Bräutigam ist einer der Geburtshelfer des Landes Brandenburg. Von 1990 bis 1998 war er unter dem damaligen Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) erster Justizminister des neu gegründeten Bundeslandes. Zuvor hatte Bräutigam sieben Jahre die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR geleitet. Über seine Zeit in Brandenburg hat der heute 84-Jährige ein Buch geschrieben, das am heutigen Montag erscheint und am Mittwoch, 25. März, bei einer Lesung mit Manfred Stolpe in der Bibliothek des Zentrums für Zeithistorische Forschung, Am Neuen Markt 9 d, ab 19 Uhr vorgestellt wird. Exklusiv veröffentlichen die PNN vorab täglich ausgewählte Passagen aus dem Buch.

Dem ersten Kabinett Stolpe gehörte eine Reihe ganz unterschiedlich geprägter Persönlichkeiten an. Klaus-Dieter Kühbacher, der Finanzminister,stammte aus Niedersachsen, hatte viele Jahre dem Bundestag angehört und verfügte über eine reiche politische Erfahrung. Im Kabinett hatte er schon kraft Amtes eine starke Position, und die Ministerkollegen hatten ihm gegenüber, wenn es um den eigenen Haushalt ging, manchmal einen schweren Stand. Am Kabinettstisch konnte er heftig und sogar aggressiv werden. (...) In den ersten Jahren nahm Kühbacher bewusst eine rasant steigende Verschuldung in Kauf. Er ging davon aus, dass das Land bei guter wirtschaftlicher Entwicklung schon bald in der Lage sein würde, diese wieder auf ein vertretbares Maß zurückzuführen. Doch leider ging diese Erwartung nicht in Erfüllung. (...)

Die zweite Frau im Kabinett war Marianne Birthler, Ministerin für Bildung, Jugend und Sport. (...) Ich schätzte Marianne Birthler und ihr leidenschaftliches Engagement für eine menschenfreundliche Ordnung. Leider gerieten wir später in der Auseinandersetzung über Stolpe auseinander. (...)

Ganz anders geartet war Matthias Platzeck, damals noch Mitglied von Bündnis 90, das er später beim Zusammenschluss mit den Grünen verließ. Später trat er dann der SPD bei. Platzeck kam aus der Potsdamer Bürgerrechtsbewegung und hatte in der letzten Phase der DDR als Vertreter einer Oppositionsgruppe der Regierung Modrow angehört. Mit 36 Jahren war er das jüngste Kabinettsmitglied und zuständig für Umweltschutz, den er schon bald mit großem Erfolg entwickelte. Besonders wichtig war ihm der Naturschutz. Obwohl vielseitig interessiert und gebildet, hielt sich Platzeck im Kabinett eher zurück. Er hatte konservative Wertvorstellungen und vertrat seine Politik mit Überzeugungskraft und auf hohem fachlichem Niveau. Ich hatte bald große Sympathien für diesen jungen Ostdeutschen, der sich, so schien es mir, nicht völlig von der Politik vereinnahmen lassen wollte. (...)

Die beiden sozialdemokratischen, aus dem Osten stammenden Minister Edwin Zimmermann und Jochen Wolf wirkten auf den ersten Blick etwas weniger profiliert. Zimmermann, Minister für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten, war durch die Umstrukturierung der Landwirtschaft besonders gefordert. Er kannte sich aus in diesem Bereich, in dem er früher selbst gearbeitet hatte, bemühte sich nach Kräften um praktische Lösungen und konnte sich dabei auf die Unterstützung durch „seine Bauern“ verlassen. (...). Auch Jochen Wolf, der Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr, nahm sich seiner neuen Aufgaben tatkräftig an. In der Endphase der DDR war er von der Regierung de Maizière zum Vorsitzenden der Bezirksverwaltungsbehörde in Potsdam berufen worden und sah sich wohl insgeheim als Vorgänger des Ministerpräsidenten. Er war überaus ehrgeizig und wirkte im Umgang mit seinen Ministerkollegen verschlossen. Einige Zeit nach seinem Amtsantritt wurde bekannt, dass Wolf in eine undurchsichtige Immobilienaffäre verwickelt war. Im August 1993 schied er deswegen aus dem Kabinett aus. Sein weiterer Lebensweg war von schweren Erschütterungen begleitet. Wegen dunkler Machenschaften landete er im Gefängnis, wo er versuchte, sich das Leben zu nehmen. Die Geschichte eines Verzweifelten.(Fortsetzung folgt)

Hans Otto Bräutigam: Meine Brandenburger Jahre – Ein Minister außer Diensten erinnert sich. Das Buch hat 280 Seiten und ist im Verlag für Berlin-Brandenburg (vbb) erschienen. Es kostet 22,99 Euro.

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