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Es gibt angenehmere Termine. Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) hat derzeit wenig zu Lachen – vor allem wegen des Skandals um die Nicht-Eröffnung des neuen Flughafens BER und den Skandal um rechtswidrig herabgesetzte Schallschutzstandards für Tausende Flughafenanrainer. Vor dem Hauptausschuss des Landtages, dem er Fragen zum Flughafen beantworten musste, war ihm das am Donnerstag teils deutlich anzusehen.

© dpa

Brandenburg: Platzeck widerspricht Wowereit

Brandenburgs Regierungschef hält zügigen Ausbau des neuen Flughafens nicht für erforderlich / Neustart beim Schallschutz

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Potsdam - Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hält kurzfristig keinen Ausbau des noch nicht einmal eröffneten Willy-Brandt-Flughafens in Schönefeld für erforderlich. Auf einer Sondersitzung des Hauptausschusses im Potsdamer Landtag zum BER-Desaster widersprach Platzeck am Donnerstag jüngsten Aussagen von Aufsichtsratschef Klaus Wowereit. Berlins Regierender hatte erst am Vortag erklärt, dass wegen des Passagierwachstums der Flughäfen und der bald nach Inbetriebnahme erreichten BER-Kapazitätsgrenze 2013 die Entscheidung über den Bau einer zweiten Abfertigungshalle nötig werde. Platzeck als Vize-Aufsichtsratschef zeigte sich hingegen skeptisch, dass der Anstieg der Fluggäste im bisherigen Tempo anhält. Er betonte, dass der Flughafen trotz der aktuellen Mehrbelastungen bis zum Jahresende „liquide“ sei.

Die Berliner Flughäfen erwarten für 2012 einen neuen Passagierrekord von 25 Millionen Fluggästen, wie Flughafenchef Rainer Schwarz sagte. Das BER-Fluggastterminal in seiner jetzigen Form kann problemlos bis zu 27 Millionen Passagiere abfertigen, dann mit kleineren Erweiterungen im Norden und Süden bis zu 30 Millionen. Schon dann aber, so der Hintergrund der Wowereit-Aussage, wäre der „Satellit“ nötig, mit dem die BER-Kapazität auf das zulässige Maximum von 40 Millionen Passagieren getrimmt werden kann. Platzeck machte deutlich, dass er an diesen Boom in den nächsten eineinhalb Jahrzehnten nicht glaubt. „Dies würde exorbitante Wachstumsraten in der Region, aber auch in Europa voraussetzen“. Eine dritte Start- und Landebahn schloss er in Schönefeld erneut aus. Er sehe für ein solches Planfeststellungsverfahren ohnehin keine Chance. „Es ist schon die Maximalbelastung, die mit den zwei Start- und Landebahnen an diesem Standort möglich ist.“

Dass es beim Flughafen Differenzen mit Berlin gibt, auch beim Schallschutz, nannte Platzeck normal. „Ja, wir haben unterschiedliche Meinungen“ Er kündigte einen erneuten Vorstoß Brandenburgs im Aufsichtsrat an, um den Flughafen-Antrag zur Änderung des Planfeststellungsbeschlusses zurückzuziehen, der zuungunsten von 14 000 Familien verschlechtert werden soll. In der letzten Sitzung war Brandenburgs Antrag mit den Stimmen Berlins und des Bundes abgeschmettert worden.

Mit dem aktuellen Schallschutz für die Betroffenen ringsum den BER hat das aber nichts zu tun. Für sie relevant ist, dass die Flughafengesellschaft nun doch einen Neustart des Schallschutzprogramms als Konsequenz aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) vorbereitet, das die bisherige Bewilligungspraxis mit gering dimensionierten Vorrichtungen als systematischen Verstoß gegen den Planfeststellungsbeschluss gerügt hatte. Flughafenchef Rainer Schwarz sagte, dass der Flughafen der Verfügung des brandenburgischen Verkehrsministeriums Folge leistet, das OVG-Urteil umzusetzen, ungeachtet von juristischen Überprüfungen. „Es ist unzweifelhaft so, dass es für uns gilt.“ Man müsse das Programm allerdings umkonstruieren, da 80 Prozent der 14 000 Fälle Anspruch auf Entschädigungen haben. „Die Teams arbeiten mit Hochdruck daran.“

Von der Opposition aus CDU und Grünen musste sich Platzeck den Vorwurf anhören, dass nie ausreichend Geld für Schallschutz eingeplant war, seine Regierung gegen den Rechtsbruch nicht einschritt und im Aufsichtsrat brandenburgische Interessen nicht genug vertreten wurden. Dass Berlin und der Bund der Schallschutz nicht interessiere, sei normal, sagte CDU-Vize-Fraktionschef Dieter Dombrowski: „Aber dann muss man mit Pistole und Sturmgewehr kämpfen.“ Die CDU schone auch nicht nach Parteibuch. So sei, sagte Dombrowski, die von Bundesminister Peter Ramsauer (CSU) über eine „Bayern-Connection“ eingesetzte BER-Soko „völliger Quatsch“.

Den Schallschutz, den die Anwohner des BER nun bekommen, nannte Platzeck exzellent – und zwar nach dem 600 Millionen Euro teuren OVG-Standard wie nach der aus Sicht Brandenburgs ausreichenden 300-Millionen-Euro-Variante. Keine Erklärung lieferte Platzeck für die Tatsache, warum mit 140 Millionen Euro für 25 000 Familien nie rechtskonformer Schallschutz in den Etats des Flughafens eingeplant war.

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