Brandenburg: Platzeck will in zweiter Halbzeit nachlegen Umstrittene Bilanz und eine große Ankündigung:
Regierungschef will „Brandenburg-Gefühl“ halten
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Potsdam - Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) will trotz einer wachsenden Kluft zwischen dem Berliner Speckgürtel und den fernen ländlichen Regionen ein „gemeinsames brandenburgisches Lebensgefühl“ bewahren. „Und zwar egal, ob man in Perleberg, Falkensee oder in Rüdersdorf lebt. Das ist die größte Herausforderung der kommenden Jahre“, sagte Platzeck am Freitag auf einer Pressekonferenz zur Halbzeitbilanz der rot-roten Regierungskoalition, die vor zweieinhalb Jahren im Herbst 2009 – begleitet von Stasi-Enthüllungen bei den Linken – ihre Arbeit aufgenommen hatte. „Wir werden uns nicht zurücklehnen“, versicherte Platzeck, der nächste Woche im Landtag eine Regierungserklärung abgeben will. Aus aktuellem Anlass forderte er Nachbesserungen beim Lärmschutz um den Flughafen Schönefeld. Und er kündigte eine einheitliche Linie seiner Regierung im Umgang mit Stasi-Fällen im Landesdienst an, die man wie andere ostdeutsche Regierungen nach der Novelle des Stasi-Unterlagengesetzes „gerade verabrede“. Zugleich wies Platzeck aber Rücktrittsforderungen der CDU an Sozialminister Günter Baaske (SPD) wegen des aktuellen Stasi-Falles um die Grundsatz-Referatsleiterin in dessen Ressort als, so wörtlich, gegenstandslos zurück.
Die Opposition aus CDU, FDP und Grünen stellte dem SPD/Linke-Bündnis zur Halbzeit ein einhellig verheerendes Zeugnis aus. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel etwa maß die rot-rote Koalition an den eigenen Ansprüchen, warf ihr vor, Erneuerung des Landes versprochen zu haben, aber „den Fuß nicht von der Modernisierungsbremse zu nehmen“. Statt der Energiewende werde an der Braunkohle festgehalten. Die Bildung sei als „Priorität“ angekündigt worden, doch seien unterm Strich „Lehrerstellen abgebaut und Studienbedingungen verschlechtert worden“. Die Koalition aus SPD und Linken habe konsequenten Lärmschutz am Flughafen in Schönefeld versprochen, widersetze sich aber einem Nachtflugverbot und „lasse zu, dass der Flughafen ohne passive Lärmschutzmaßnahmen in Betrieb geht“. FDP-Fraktionschef Andreas Büttner sieht überall „faule Kompromisse statt Innovationen“, etwa in der Bildungspolitik, wo die Vielfalt mit Kürzungen bei den Freien Schulen dem „Spardiktat des Finanzministers“ geopfert worden sei. Und die CDU hielt Platzeck einmal mehr vor, mit der „letzten linken Landesregierung“ dem Ansehen Brandenburgs zu schaden. Er bekomme seit zwei Jahren die Stasi-Affären nicht in den Griff, sagte Generalsekretär Dieter Dombrowski. In seiner Erklärung machte Dombrowksi für die Stasi-Belastungen in Polizei, Justiz oder jetzt im Arbeitsministerium – alle wurden in den 90er Jahren eingestellt oder übernommen, ohne dass es Konsequenzen während der SPD-CDU-Koalition von 1999 bis 2009 gab – nunmehr sogar Platzeck direkt verantwortlich, der seit 2002 Regierungschef ist. Der „Stasi–Mief“ sei „unter Platzeck in die Landespolitik eingezogen“, er habe das „Land zu einer Versorgungsanstalt für Stasi-Mitarbeiter“ gemacht, so Dombrowski.
In der Bilanzpressekonferenz vermied Platzeck anders als früher, wo er dünnhäutig wirkte, Attacken gegen die CDU-Opposition. Gemeinsam mit Vize und Finanzminister Helmuth Markov (Linke) verwies er auf eingelöste Ankündigungen des Koalitionsvertrages wie das Vergabegesetz oder über tausend neu eingestellte Lehrer – und auf die mehrheitliche Zufriedenheit der Bevölkerung mit dem Land und der rot-roten Regierung. Dass dort die Linken die Verlierer sind, kommentierte Markov gelassen: Auch der Koch sei nichts ohne den Kellner.
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