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Wie laut wird’s wirklich? Bei einer Demonstration gegen Fluglärm trug der vierjährige Rasmus Kopfhörer zum Schutz vor der Lautstärke. Wie viel Krach die Anwohner in Schönefeld ertragen müssen, muss jetzt das Infrastrukturministerium entscheiden.

© Oliver Lang/dapd

Schallschutz-Standards: Poker um Lärmschutz-Millionen

Wie viel Krach die Anwohner des neuen Flughafens Berlin-Brandenburg in Schönefeld ertragen müssen, muss jetzt das Brandenburger Infrastrukturministerium entscheiden.

Stand:

Schönefeld/Potsdam - Die Flughafengesellschaft hat am Donnerstag, wie angekündigt, einen Klarstellungsantrag eingereicht, mit dem nach Ansicht des Flughafens unklare Formulierungen im Planfeststellungsbeschluss beseitigt werden sollen. Bürgerinitiativen, Anwohner, aber auch CDU und Grüne in Brandenburgs Landtag sehen darin einen Vorstoß für „Billig-Lärmschutz“ um den Airport. Die CDU-Opposition im Landtag forderte am Donnerstag Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) auf, den Flughafen zu stoppen, im Aufsichtsrat dafür sorgen, „den Antrag einzukassieren.“ Dort haben allerdings der Bund und Berlin die Mehrheit.

In der Praxis geht es um die Frage, wie oft der zulässige Maximalwert von 55 Dezibel - entspricht normaler Gesprächslautstärke - in rund 5000 Wohnungen der unmittelbaren Umgebung tagsüber überschritten werden darf: Sechs Mal, wie es der Flughafen interpretiert, oder höchstens ein Mal, was bisher die Ansicht des brandenburgischen Verkehrsministeriums ist. Verkehrsminister Jörg Vogelsänger und Staatssekretär Rainer Bretschneider hatten öffentlich erklärt, dass der Planfeststellungsbeschluss eindeutig ist. Da es als unwahrscheinlich gilt, dass sich die Behörde nun selbst korrigiert, können auf den Flughafen erhebliche Mehrausgaben für Schallschutz zukommen. Bisher sind dort 140 Millionen Euro vorgesehen.

Einen Termin der Behörde für die Entscheidung gibt es noch nicht. „Wir werden den Antrag sorgfältig prüfen“, sagte Staatssekretär Rainer Bretschneider am Donnerstag auf PNN-Anfrage. Außerdem müsse es eine neue Beteiligung der Öffentlichkeit geben. Brisanz liegt zum einen darin, dass laut Bretschneider vom Flughafen eine „Änderung“ des geltenden Planfeststellungsbeschlusses beantragt wird. Den hatte – anders als jüngst beim Flughafen Frankfurt am Main – das Leipziger Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Wird der Antrag ablehnt, müsste der Flughafen dagegen klagen. Neue Prozesse wären die Folge. Zum anderen hat der Flughafen offenbar sein bisheriges Lärmschutzprogramm – also die Kostenübernahmevereinbarungen, die Auswahl und Berechnungen, welche Schallschutzfenster finanziert werden – auf Grundlage seiner eigenen Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses gemacht. Scheitert er mit dem Versuch, dies nunmehr nachträglich abzusichern, wären die obsolet.

Unabhängig von dieser Frage könne der Flugbetrieb wie geplant am 3. Juni aufgenommen werden, versicherte Flughafensprecher Ralf Kunkel. Der Maximalpegel von 55 Dezibel werde nach den Prognosen erst 2015 mehr als einmal pro Tag überschritten, wenn das Verkehrsaufkommen entsprechend zugenommen habe. Am heutigen Freitag berät der Aufsichtsrat des Flughafens, der dem Bund, Berlin und Brandenburg gehört, über eine Aufstockung des Lärmschutzprogramms auf 170 Millionen Euro. Bretschneider deutete an, dass es dagegen Widerstände des Bundes gibt. Kurz vor Inbetriebnahme des Flughafens sind erst in rund 1000 von 24 000 Wohnungen Schallschutzfenster eingebaut.

In Brandenburgs Landtag drängen CDU und Grüne deshalb darauf, Anwohnern wie einst am Flughafen München solange eine Entschädigung („Lärmrente“) zu zahlen, bis es Schallschutz gibt. Im Verkehrsausschuss wurden diese Anträge am Freitag mit rot-roter Mehrheit aber abgelehnt.

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