Regierungsbildung: Poker unter Dreien
Ministerpräsident Dietmar Woidke will bis November eine neue Regierung in Brandenburg bilden. Der Wahlsieger SPD will noch diese Woche mit den Linken und der CDU über eine mögliche Koalition sondieren. Durch den Einzug der AfD sieht der Abgeordnete Christoph Schulze den bisherigen „humanitären Grundkonsens“ im Landtag gefährdet.
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Potsdam - Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke will nach dem Sieg seiner Partei bei der Landtagswahl zügig eine neue Regierung bilden. Der SPD-Landesvorstand beschloss am Montagabend einstimmig auf einer Tagung in Potsdam-Hermannswerder die Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit den Linken und mit der CDU, die beide als mögliche Koalitionspartner infrage kommen. Sie sollen „noch in dieser Woche“ beginnen, sagte Woidke vor Journalisten. „Wer sich bei uns zuerst meldet, ist zuerst dran.“ Die Entscheidung, mit wem dann Koalitionsverhandlungen geführt werden, will die SPD am 23. September treffen. Eine Präferenz ließ Woidke nicht erkennen. „Wir brauchen eine stabile und starke Regierung für Brandenburg.“ Ziel sei es, dass diese bis November steht. Woidke widersprach ausdrücklich Aussagen der Union, wonach Rot-Rot bei der Landtagswahl abgewählt worden sei.
Das vierköpfige SPD-Verhandlungsteam wird aus Woidke, Fraktionschef Klaus Ness, Generalsekretärin Klara Geywitz und der Vize-Parteichefin Katrin Lange, Amtsdirektorin in Meyenburg, bestehen. Ein rot-rotes Bündnis hätte im Landtag nur noch eine knappe Mehrheit von drei Sitzen, ein SPD-CDU-Bündnis eine mit sieben Sitzen. Rot-Schwarz würde „eine deutlich stabilere Regierung werden als mit den Linken“, warb CDU-Parteichef Michael Schierack. Er gehe optimistisch und ernsthaft in die Gespräche, rechne aber mit harten Gesprächen. „Unter Wert werden wir uns nicht verkaufen.“ Auch Brandenburgs Linke kündigte harte Verhandlungen an: „Wir werden uns da nicht flach hinlegen“, betonte der Parteichef und bisherige Finanzminister Christian Görke in Berlin. „Wir werden nicht diejenigen sein, die für die CDU den Preis drücken.“
Nach dem vorläufigen amtlichen Ergebnis erreichte die SPD in Brandenburg 31,9 Prozent (-1,1 Prozentpunkte) und lag damit etwas unter dem Niveau von 2009. Die Linke rutschte deutlich auf 18,6 Prozent ab (-8,6), die CDU legte auf 23,0 Prozent (+3,2) zu. Die AfD fuhr aus dem Stand 12,2 Prozent ein. Die Grünen kamen auf 6,2 Prozent (+0,5). Die FDP stürzte auf 1,5 Prozent (-5,7). Die Mandate in Potsdam verteilen sich demnach künftig so: SPD 30, CDU 21, Linke 17, AfD 11 und Grüne 6. Die Freien Wähler bekommen 3 Sitze. Deren Spitzenkandidat, der aus der SPD ausgetretene langjährige Abgeordnete Christoph Schulze, hatte das Direktmandat in Teltow-Fläming gewonnen, womit für die Gruppierung die Fünf-Prozent-Hürde nicht gilt. Mit den Erststimmen hatten die SPD 29 Wahlkreise gewonnen, die CDU 10 und die Linken 4. Die Wahlbeteiligung sank mit 47,9 Prozent auf den niedrigsten Wert seit 1990 (2009: 67,0 Prozent).
Die Linke hatte damit eins der schlechtesten Ergebnisse in der Geschichte Brandenburgs eingefahren. Es gibt Politikwissenschaftler wie den Dresdner Experten Werner J. Patzelt, die darin einen Wunsch der Wähler nach einer CDU-Regierungsbeteiligung sehen. Doch nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen haben die Brandenburger keine eindeutige Präferenz für eine bestimmte Koalition. Die Zustimmung für Rot-Rot wie für Rot-Schwarz hält sich mit je 45 Prozent die Waage.
Der Wahlausgang und die nun folgenden Regierungsbildungen in Brandenburg und Thüringen beschäftigten die Bundespolitik. Der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel bekräftigte, dass die Entscheidung über künftige Koalitionen allein von den Landesverbänden der SPD getroffen wird. „Es wird von uns überhaupt keine Einflussnahme geben“, sagte Gabriel. Er sprach von „einem sehr guten und einem schwierigen Ergebnis“ – bezogen auf Brandenburg und Thüringen. Kanzlerin und CDU-Bundeschefin Angela Merkel hatte den brandenburgischen Parteifreunden noch in der Wahlnacht telefonisch zum Wahlerfolg gratuliert.
Am heutigen Dienstag wollen sich im Landtag die Fraktionen von SPD und CDU konstituieren. Die Linke zieht sich zu einer zweitägigen Klausur nach Schönefeld zurück, um die Wahlniederlage zu verarbeiten. Brandenburgs AFD-Chef Alexander Gauland kündigte in Potsdam einen angriffslustigen Oppositionskurs der AfD im Landtag an. Neben BER und Innere Sicherheit werde man auch weiter auf das Thema Flüchtlinge und Asyl setzen. Der Abgeordnete Christoph Schulze warnte, dass damit der bisherige „humanitäre Grundkonsens“ im Landtag infrage gestellt werde. (mit dpa)
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