Brandenburg: „Polemische Zuspitzung“
Urteile gegen drei Ex-NPD-Funktionäre: Ein Freispruch, zwei Bewährungsstrafen
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Berlin - Das Kammergericht hat am Montag, wie erst jetzt bekannt wurde, einen Beschluss gefasst, der Diskussionen auslösen wird. Der 4. Strafsenat sprach den ehemaligen Vorsitzenden der Berliner NPD, Jörg Hähnel, trotz ausländerfeindlicher Propaganda vom Vorwurf der Volksverhetzung frei. Hähnel hatte im September 2009, kurz vor der Bundestagswahl, einen „Fünf-Punkte-Plan der NPD zur Ausländerrückführung“ ins Internet gestellt. Außerdem verschickte Hähnel an 22 Politiker mit Migrationshintergrund ein Schreiben, in dem er sich als „Ihr Ausländerrückführungsbeauftragter“ ausgab und Zwangsmaßnahmen gegen Migranten auflistete. Ein Punkt lautete, Ausländer würden „aus dem deutschen Sozialversicherungssystem ausgegliedert“.
Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Rechtsextremisten im Dezember 2010 wegen zweifacher Volksverhetzung zu zehn Monaten Haft auf Bewährung. Das Landgericht verwarf Hähnels Berufung. Das Kammergericht beschloss nun, Hähnels „Aktivitäten mit den provokanten Inhalten“, könnten als Teil des Wahlkampfs der NPD zu verstehen sein, bei der „polemische Zuspitzungen“ als rechtmäßiges Mittel angesehen werden, „um im Getriebe der Medien Gehör zu finden“.
Die Richter halten Hähnels Äußerungen zwar für ausländerfeindlich, da „sie den ausländischen Mitbürgern ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht verwehren“. Doch würden den in Deutschland lebenden Ausländern „keine negativen Eigenschaften“ zugeschrieben. Auch der Forderung, Ausländer aus den Sozialversicherungssystemen auszuschließen, sei nicht zu entnehmen, dass sie als „rechtlos oder als Objekte anzusehen sein sollen“. Denn Hähnel hatte verkündet, den Ausländern würden bisher erworbene Ansprüche aus den Sozialversicherungen belassen.
Indes hat das Landgericht am Donnerstag den früheren NPD-Chef Udo Voigt wegen Volksverhetzung in zwei Fällen zu zehn Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldbuße von 1000 Euro verurteilt. Der 60-jährige Voigt habe am 25. März 2010 in einer Rede in der Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick die Waffen-SS verherrlicht, so die Richter. Zudem wurde er schuldig gesprochen, einen ausländerfeindlichen Werbespot verbreitet zu haben. In diesem Fall war der Ex-NPD-Landeschef Uwe Meenen mitangeklagt. Gegen ihn ergingen wegen Volksverhetzung acht Monate Haft auf Bewährung sowie 1000 Euro Buße. Frank Jansen / Kerstin Gehrke
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