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Kriminalität: Polizei gegen Aussteigerprogramm für Rocker
Ermittler in Berlin und Brandenburg setzen auf Kronzeugenregelung und Ansprachen in der Szene. Auf ein Aussteigerprogramm setzen sie nicht - schließlich handle es sich bei Rockerklubs nicht um ideologische Vereinigungen wie etwa bei vielen Rechtsextremisten.
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Berlin/Potsdam - Ein Aussteigerprogramm für Rocker wird es in Berlin, aber auch in Brandenburg auf absehbare Zeit nicht geben. Das stellten für Berlin Innensenator Frank Henkel (CDU) und Polizeipräsident Klaus Kandt am Montag im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses klar. Auch beim brandenburgischen Landeskriminalamt (LKA), wo derartige Überlegungen aus Berlin für ein Aussteigerprogramm schon länger bekannt waren, herrscht Skepsis vor. Das Thema kam auf Antrag von SPD und CDU im Abgeordnetenhaus auf die Tagesordnung.
Ein derartiges „ausformuliertes“ Programm funktioniere schon deshalb nicht, weil es sich bei den kriminellen Rockerklubs um keine ideologische Vereinigungen wie bei Links- oder Rechtsextremisten handele, sagte Kriminaldirektor Uwe Wilhelms, der im Berliner LKA für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität zuständig ist. Vielmehr liefen in den Rockerklubs unterschiedlich ausgeprägte kriminelle Karrieren zusammen. Stattdessen werde kriminellen Rockern vor Gericht eine Art Kronzeugenregelung angeboten. In den vergangenen Jahren seien bei sechs Prozessen derartige Angebote unterbreitet worden. Daher setze die Polizei lieber auf individuell zugeschnittene Ausstiegsszenarien und die persönliche Ansprache von bekannten Rockern. Schon jetzt trage vor allem die Vernetzung der bei der Staatsanwaltschaft Berlin angesiedelten Task Force Rockerkriminalität „wesentlich zur Beherrschung der Lage“ bei.
Kandt sagte, die Behörden hätten erfolgreich einen massiven Verfolgungsdruck aufgebaut, der zu „einer Verwirrung der Szene“ führe. Jeder Ermittlungserfolg sei letztlich ein Abschreckungsfaktor, damit junge Männer das Interesse an den Klubs verlieren. Dazu trage auch die gute Zusammenarbeit mit den Polizeikollegen in Brandenburg bei.
Wilhelms berichtete, dass die Machtverschiebung zugunsten der Hells Angels und zulasten der Bandidos noch nicht abgeschlossen sei, „die Lage ändert sich monatlich“. Auch der für Organisierte Kriminalität zuständige Dezernatsleiter beim Brandenburger LKA, Frank Adelsberg, sieht noch viel Bewegung in der Rockerszene. Momentan laufe es darauf hinaus, dass die Hells Angels in ganz Ostdeutschland die Szene beherrschen. Offenbar seien den Mitgliedern der Bandidos und deren Unterstützer, die zahlreich zu den Rivalen übergelaufen sind, die Geschäfte wichtiger als die sonst betonte Klubehre. Nach der Unruhe im vergangenen Sommer mit Auflösungen, Aus- und Übertritten und direkten Konfrontatione zwischen den Klubs sei die Lage derzeit ruhig.
Mit zur Verunsicherung der Szene haben auch die Aussagen zweier Aussteiger gegen einstige Bandidos-„Brüder“ beigetragen. Am Montag wurde einer von ihnen im Prozess gegen drei mutmaßlich kriminelle Bandidos-Rocker befragt. Der Aussteiger, der sich im Zeugenschutzprogramm befindet, hatte mit seinen Angaben zu Ermittlungsverfahren mit mehr als 20 Beschuldigten geführt.
In seinem damaligen Motorradklub mit Sitz in Hennigsdorf (Oberhavel) sei mit Amphetaminen, Speed und Kokain gedealt worden, bestätigte der 30-Jährige vor dem Landgericht. Den drei Angeklagten im Alter von 29, 31 und 36 Jahren wird bandenmäßiges Handeln mit Amphetaminen zur Last gelegt. Bei der Vermarktung sollen sie die Netzwerkstrukturen der Klubs Bandidos Berlin Del Este und Brandenburg Del Este sowie deren Unterstützerklubs ausgenutzt haben. Es sei für bestimmte Mitglieder auch kein Problem gewesen, Waffen zu beschaffen, sagte der Kronzeuge. Als er aus dem Motorradklub ausschied, hätten seine Ex-„Brüder“ einen Jahresbeitrag von 2400 Euro als „Abstand“ von ihm verlangt. Der Prozess geht am Mittwoch weiter.
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