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Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD)hat sich durchgesetzt: Führende Polizeibeamte in Brandenburg dürfen erneut auf Stasi-Kontakte überprüft werden.

© Nestor Bachmann/dpa

Brandenburger Polizei: Polizei-Karriere trotz verschwiegener IM-Vita

Update. Lüge bei Stasi-Check blieb ohne Folgen - der damalige Innenkminister Jörg Schönbohm deckte den brisanten fall.

Stand:

In Brandenburgs Polizei konnten stasi-belastete Polizisten nicht nur unter Innenministern von SPD, sondern selbst unter dem damaligen Ressortchef Jörg Schönbohm (CDU) Karriere machen – obwohl sie ihre Vergangenheit nachweislich verschwiegen und ihren Dienstherrn getäuscht haben. Selbst wenn es aufflog, blieb es folgenlos. Das ist das erschütternste Ergebnis der von Innenminister Dietmar Woidke (SPD) angeschobenen Stasi-Überprüfung von 15 Schutzbereichsleitern.
Wie berichtet waren bei drei Beamten Hinweise auf eine frühere Stasi-Mitarbeit gefunden worden, die allerdings im Innenministerium bereits seit der Schönbohm-Ära bekannt waren. Zwei Fälle hält Woidke für unproblematisch, weil die Beamten ihre Stasi-Vergangenheit offenbart haben oder sich diese nicht eindeutig belegen lässt.
Bei Jörn Preuß aber, dem Chef des Schutzbereichs Dahme-Spreewald, zieht Woidke nun Konsequenzen, zu denen es unter Schönbohm trotz gleicher Aktenlage noch nicht kam. Nun soll Preuß bald in die zweite Reihe versetzt werden. Der 51-Jährige hatte bei seiner Übernahme in Brandenburgs Polizei 1991 verschwiegen, dass er sich als Abiturient verpflichtete und zwei Jahre lang inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi war. Bei einer Stasi-Überprüfung unter dem damaligen SPD-Innenminister Alwin Ziel flog er 1993 auf, bestritt aber jemals Spitzelberichte geschrieben zu haben. Ihm wurde geglaubt, er wurde 1995 Beamter auf Lebenszeit. Es war wieder eine Lüge: Denn tatsächlich hat er der Stasi sogar von sich aus und ohne Auftrag berichtet – etwa über die systemkritischen Bemerkungen eines fremden Studenten, den er bei einer Bahnfahrt kennengelernt hatte.
Akten, die das belegen, wurden schon 2005 gefunden, als CDU-Innenminister Jörg Schönbohm nach dem Auftauchen der Rosenholz-Dateien über Auslandsagenten der Stasi etwa 580 Führungskräfte der Polizei überprüfen ließ. Bei 112 Beamten kamen von der Stasi-Unterlagenbehörde belastende Bescheide, jeder fünfte leitende Polizist hatte demnach einen Stasi-Hintergrund. Den gesamten Vorgang, der auf einen Kabinettsbeschluss der damaligen SPD-CDU-Regierung zurückging, hielt das Schönbohm-Ministerium allerdings unter Verschluss.
Bei vier Beamten waren neue Erkenntnisse aufgetaucht, die den Angaben bei der Einstellung widersprachen. Besonders krass war der Fall Preuß, der damals die Spezialeinheiten des Landeskriminalamtes führte. Preuß konnte nun nicht mehr leugnen, Spitzelberichte geschrieben zu haben. Gefeuert wurde er dennoch nicht. Nach PNN-Informationen wurde er 2007, obwohl seine zwei Lügen bekannt waren, sogar befördert und Schutzbereichsleiter in Dahme-Spreewald, ein gut dotierter Posten. Aus heutiger Sicht des Ministeriums hat sich Preuß seinen Beamtenstatus erschlichen – das Schönbohm-Ministerium aber beließ es dabei.
Die Hintergründe sind unklar, doch galt das Haus mit der Spitze Jörg Schönbohm als Minister und dem Staatssekretär Hans-Jürgen Hohnen als straff geführt. Dass das Ministerium in der Schönbohm-Ära im Fall Preuß nicht einschritt, führt nun dazu, dass Woidke keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen mehr ziehen kann. Denn der Erkenntnisstand der heutigen Bescheide entspricht dem von 2005.
Offiziell will sich Woidke, der auch noch 45 Wachenleiter und acht Chefs der Wasserschutzpolizei überprüfen will, nicht zum Umgang seiner Vorgänger mit Stasi-belasteten Polizisten äußern. Zumindest herrscht in der Chefetage des Ministeriums Erstaunen. Zumal im Zuge der aktuellen Debatte um laxe Stasi-Checks und mangelnde Aufarbeitung in den Brandenburger Nachwendejahren CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski behauptet hatte, Schönbohm habe 2006 auf eine „restlose Aufklärung“ gedrängt und sei von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) gebremst worden. Im Fall Preuß geschah offenbar genau das Gegenteil.

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