zum Hauptinhalt
Die Polizeireform in Brandenburg hat Folgen: Immer weniger betrunkene Fahrer werden erwischt.

© dpa

Sicherheit im Straßenverkehr: Polizei macht es betrunkenen Autofahrern leicht

Die Strukturreform führt offenbar zu weniger Verkehrskontrollen. Die Zahl von gestoppten Trunkenheitsfahrern ist eingebrochen - nach PNN-Recherchen in einigen Polizeidirektionen um bis zu 25 Prozent.

Stand:

Potsdam - Die Polizeireform in Brandenburg hat massive Auswirkungen auf die Sicherheit im Straßenverkehr. Denn das Risiko für betrunkene Autofahrer, bei einer Kontrolle erwischt zu werden, ist deutlich gesunken. Nach PNN-Recherchen hat es starke Einbrüche bei der Zahl der aufgegriffenen Autofahrer gegeben, die betrunken oder im Drogenrausch am Steuer saßen. Der Grund: Die Polizei führt immer weniger Verkehrskontrollen durch. Betroffene Beamte berichten überdies von fehlender Motivation und Einsatzbereitschaft der Streifenbesatzungen infolge des Polizeiumbaus.

Offizielle Zahlen für das Jahr 2012 liegen zwar noch nicht vor, am heutigen Freitag will Innenminister Dietmar Woidke gemeinsam mit Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger die Verkehrsunfallbilanz vorlegen. Doch nach PNN-Recherchen beträgt der Rückgang der registrierten Fälle in einzelnen der vier Polizeidirektionen bis zu 25 Prozent.

Bereits in der Anfangsphase der Polizeireform im Jahr 2011war die Zahl der bei Polizeikontrollen gestoppten betrunkenen Autofahrer eingebrochen. 2010, also vor dem offiziellen Start der Reform mit dem kompletten Umbau der Strukturen, stellte die Polizei landesweit 5954 Trunkenheitsfahrten fest, ein Jahr später, 2011, waren es nur noch 5483 registrierte Fälle. Das ist ein Rückgang von acht Prozent. Bei den festgestellten Autofahrern, die unter Drogeneinfluss unterwegs waren, beträgt der Rückgang sieben Prozent. Im Jahr 2012 sei erneut ein weiterer deutlicher Rückgang zu verzeichnen, erfuhren die PNN aus Polizeikreisen. Dieser Einbruch bei den sogenannten Kontrolldelikten wie Trunkenheits- oder Drogenfahrt sei nicht mit dem Rückgang der Bevölkerungszahl zu erklären, sondern vielmehr Folge der Polizeireform. Die Polizei selbst ist intern alarmiert. In der Polizeidirektion West etwa, zuständig für Potsdam, das Umland, Teltow-Fläming, Havelland und Brandenburg an der Havel, gab es nach PNN-Informationen aus der Führungsebene bei den Fallzahlen für betrunkene und bedröhnte Autofahrer einen Rückgang von 25 Prozent. Auch die anderen drei Direktionen seien betroffen, hieß es. Als Grund wird angeführt, dass die Polizei generell weniger Verkehrskontrollen durchführe, insbesondere auch nicht an den klassischen Stellen wie vor Diskotheken.

Ein Sprecher des Landespolizeipräsidiums wollte einen Zusammenhang mit der Polizeireform nicht näher kommentieren. „Das sind Kontrolldelikte. Diese werden erst festgestellt, wenn die Polizei offensiv kontrolliert“, sagte der Behördensprecher. Vielmehr hängt die Entwicklung seiner Darstellung zufolge offenbar mit den verstärkten Kontrollmaßnahmen gegen Autoschieberbanden und die grenzüberschreitende Kriminalität zusammen. „Wenn die Schwerpunkte verändert werden, wenn weniger einfache Kontrollen stattfinden, sondern größere Fahndungskontrollen, dann bleibt es nicht aus, dass die Feststellung anderer Delikte zurückgeht.“

Zudem gibt es einen weiteren Grund für den Einbruch bei den Fallzahlen. Die Motivation bei den Kollegen im Streifendienst sei am Boden, berichteten mehrere Beamte. Grund sei nicht nur die Polizeireform, die bei den Beamten für Verunsicherung gesorgt habe, sondern auch die Debatte über eine längere Arbeitszeit bis 67 Jahre, das fehlende Weihnachtsgeld und die im Bundesvergleich zweitschlechteste Besoldung. Hinzu kommt eine Umstellung bei den Ordnungsgeldern, die Polizisten bei Kontrollen in Höhe von 35 Euro für Ordnungswidrigkeiten kassieren können. Die Polizeiführung will das Bezahlsystem von Zahlscheinen für Bargeld auf die elektronische Zahlung mit EC-Kartenlesegeräten umstellen. Die Zahlscheine seien bereits eingezogen worden, berichten Streifenbeamte, die Funkwagen aber noch lange nicht mit der neuen Technik ausgestattet worden. „Warum sollen wir dann kontrollieren, wenn wir nicht mal Ordnungsgelder erheben und abrechnen können“, so ein Beamter.

Traditionell belegt Brandenburg bei der Zahl der Verkehrstoten einen traurigen Spitzenplatz. Der häufigste Grund ist Raserei.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })