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Brandenburg: Polizei nahm „Schlapphut-Bande“ fest

Potsdamer Ermittler beendeten größte Überfall-Serie seit dem Krieg / 52 Banküberfälle

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Potsdam - Die Polizei hat die nach ihren Angaben größte Serie von Raubüberfällen der Nachkriegsgeschichte aufgeklärt. Einer Bande aus Deutschen und Polen werden 52 Überfälle auf Banken und Sparkassen, etwa gleich vielen Diebstähle etwa von Fluchtfahrzeugen und ein versuchter Mord vorgeworfen. Fünf Täter sitzen bereits in Untersuchungshaft, nach weiteren Tätern, darunter dem mutmaßlichen Anführer aus Polen, werde noch gefahndet, teilte das Potsdamer Polizeipräsidium gestern mit.

Die Bande sei mit äußerster Brutalität vorgegangen. Den materiellen Schaden der seit 2002 verübten Überfälle gab die Polizei mit rund 3,6 Millionen Euro an. Die acht bis zehn Männer hatten sich ein spezielles Erkennungszeichen zugelegt – einen Schlapphut. Überwachungskameras in Banken zeigten sie sowohl maskiert mit Strumpfmasken und Sonnenbrillen als auch nur mit tief ins Gesicht gezogenen Hüten. Deshalb gab sich auch die polizeiliche Ermittlungsgruppe den Namen „Schlapphut“. Rund eineinhalb Jahre suchte sie mit zeitweise bis zu 1000 Beamten nach den Verdächtigen, die bald namentlich bekannt waren. Sie alle haben zahlreiche Vorstrafen. Wie sich herausstellte, lernten sich die Täter bei der Strafverbüßung in Gefängnissen kennen. Dort verabredeten sie sich auch zu den jetzt ermittelten rund 100 Straftaten. Einer der Täter beteiligte sich sogar auf Freigängen während seiner Haftstrafe.

Das Schema bei den Überfällen war immer das gleiche: Die Räuber spähten ihre Objekte – oft kleine Filialen mit ein bis zwei Angestellten – aus. Dann überfielen sie, bewaffnet mit Maschinenpistolen und meist zu zweit, die Sparkasse oder Bank und waren nach fünf bis acht Minuten mit ihrem zuvor gestohlenen Fluchtfahrzeug schon wieder auf und davon. Nur wenige Wochen vergingen, und schon schlug die Bande wieder zu. „Sobald sie protzig und verschwenderisch die Beute ausgegeben hatten, versetzten sie wieder Bankangestellte in Angst und Schrecken“, sagte Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU).

Zuerst hatte das Potsdamer Polizeipräsidium im Jahre 2003 eine Häufung von bewaffneten Überfällen auf Geldinstitute in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt festgestellt. Sie setzten sich 2004 fort, unter anderem mit Angriffen auf einen Geldtransporter im Kaufpark Eiche am östlichen Berliner Stadtrand im März 2004 und einen Monat später auf die Sparkasse in Freyenstein in der Ostprignitz. In Eiche verletzte die Bande einen Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens mit einem Elektroschockgerät und beschoss das Fahrzeug. In Freyenstein eröffnete sie sogar das Feuer aus Maschinenpistolen auf einen Funkstreifenwagen, nachdem die Beamten vorher entwaffnet worden waren.

Weitere Überfälle unternahm die Tätergruppe in Hessen, Niedersachsen, Thüringen und Sachsen. In der Nähe von Göttingen schoss ein Täter einem Taxifahrer in den Kopf. Diesen Angriff wertete die Staatsanwaltschaft als versuchten Mord. Alle Tatorte lagen in vorwiegend ländlichen Gegenden mit guten Fluchtmöglichkeiten über Bundesstraßen und Autobahnen. Vor den Überfällen wurden die dabei genutzten Autos gestohlen, auch in Berlin.

Polizeipräsident Bruno Küpper sprach von einer „geringen Hemmschwelle bei der Anwendung von mitgeführten Waffen“ und einer „hohen Mobilität“ der Täter. Die Polizei habe deshalb äußerst aufwändig arbeiten müssen. Doch erst nach der Trennung der Bande am 1. Juli 2005 konnten die drei deutschen Mitglieder bei einem Überfall auf einen Schrotthandel in Greiz (Thüringen) festgenommen werden. Wenig später wurden zwei polnische Tatverdächtige gestellt. Die Staatsanwaltschaften in den betroffenen Bundesländern haben größtenteils schon Anklage gegen die Tatverdächtigen erhoben. Bereits am Donnerstag beginnt in Thüringen der Prozess wegen des Überfalls auf den Schrotthandel.

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