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Brandenburg: Polizei räumt „Chaosphase“ in Neuruppin ein

Woidke will Konsequenzen aus Mängeln ziehen Weiter Streit um Auflösung der Anti-Nazi-Demo

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Potsdam - Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) hat Fehler beim rigorosen Polizei-Einsatz gegen eine Anti-Neonazi-Demonstration in Neuruppin eingestanden. Woidke, der am Donnerstag im Innenausschuss des Landtages die Ergebnisse seiner Überprüfung des Einsatzes vorstellte, verteidigte zwar die Auflösung der Sitzblockade mit rund dreihundert Teilnehmern am 24. September als „rechtmäßig und geboten“. Doch zugleich sagte er, es habe Mängel bei Kommunikation, Logistik, der langen Dauer der Identitätsfeststellung und der Versorgung der Teilnehmer gegeben. Bei dem Einsatz waren dreihundert Teilnehmer, die gegen eine genehmigte Demonstration der rechtsradikalen „Freien Kräfte Neuruppin“ protestierten, nach Augenzeugenberichten stundenlang von der Polizei eingekesselt worden.

Und zwar nicht nur Blockierende, „sondern auch Schaulustige, Teilnehmer, die sich nach der Aufforderung durch die Polizei vom Ort entfernen wollten“, schilderte Martin Ossinski vom örtlichen Bündnis „Neuruppin bleibt bunt“, kürzlich mit dem „Band für Verständigung“ ausgezeichnet, das die Veranstaltung organisiert hatte. Der zuständige Potsdamer Polizeipräsident Arne Feuring sprach offen von einer „Chaosphase“, die es zeitweise beim Einsatz gegeben habe, ebenso wie „erhebliche Kommunikationsschwierigkeiten“ und taktische Fehler. So seien zwar Anti-Konflikt-Teams vor Ort gewesen, denen es aber nicht gelungen sei, „deeskalierend zu wirken.“ Grünen-Fraktionschef Axel Vogel würdigte die selbstkritische Auswertung des Einsatzes durch den Polizeiführer als „bundesweit ohne Vorbild.“ Woidke kündigte an, Konsequenzen aus den Fehlern zu ziehen. So werde man gemeinsam mit der Justiz prüfen, ob es einen weniger aufwändigen Weg von Identitätsfeststellungen gebe. Zugleich forderte der Minister nach der Eskalation in Neuruppin „mehr Fantasie“ bei der Auseinandersetzung mit rechtsextremen Aktivitäten: Das Instrument von Sitzblockaden, das zu einer schädlichen Konfrontation zwischen Zivilgesellschaft und Polizei führe, dürfe „von der Ausnahme nicht zur Regel“ werden.

Erledigt ist der Fall weder für den Landtag noch vor Ort. Außerdem müssen 311 Teilnehmer Ermittlungsverfahren befürchten. Das landesweite Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus und die Initiative „Neuruppin bleibt bunt“, die einen eigenen 31-Seiten-Bericht zu den Abläufen und Versäumnissen der Polizei präsentiert haben, drängen auf weitere Aufklärung - mit Blick auf künftige Aktionen. „Es ist Vertrauen in Polizisten und die Anti-Eskalationsteams der Polizei erschüttert worden“, sagte die Bündnisvorsitzende, Generalsuperintendentin Heilgard Asmus. Es seien „bohrende Nachfragen“ nötig. Zugleich zweifelte sie an der Rechtmäßigkeit der Auflösung der Demonstration. Aus Sicht des Landesbündnisses sei das Recht auf Versammlungsfreiheit „eindeutig“ durch die Polizei verletzt worden. Der Einsatz sei „unprofessionell und teilweise rechtswidrig“ gewesen, sagte Ossinski. Zudem habe die Polizei die Neonazis zweimal an den eingekesselten Demonstranten vorbeigeführt, „zur Freude der Neonazis.“ Um so höher sei es zu bewerten, dass die Teilnehmer der Gegendemonstration „friedlich und besonnen geblieben sind.“ Der „Zivilgesellschaft im Land“ sei ein „verheerender Schaden“ zugefügt worden, Vertrauen in die Neutralität der Polizei erschüttert, sagte Ossinski. Das Neuruppiner Bündnis fordert eine Entschuldigung und die Einstellung der Ermittlungen gegen die 300 Betroffenen.

Widerspruch kam von Andreas Schuster, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, der „jedwede Form von Entschuldigung für rechtsstaatliches Handeln der Polizei“ zurückwies. Ähnlich äußerte sich auch Sven Petke, innenpolitischer Sprecher der CDU, der von Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser eine Entschuldigung für ihre Vorwürfe nach der Demonstration forderte. Der Linke–Abgeordnete Dieter Groß forderte von Woidke die Klärung noch offener Fragen, „und wenn erforderlich, disziplinarrechtliche Schritte, damit so etwas nie wieder passiert.“

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