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Kein Potsdamer. Der 51-Jährige bleibt selbstverständlich in Forst wohnen. „Meine Familie lebt seit Hunderten von Jahren hier. Das ist Heimat“, erklärt Woidke.

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Brandenburg: Potsdams Bedeutungsverlust

Mit Dietmar Woidke bekommt Brandenburg ersten Regierungschef aus der Provinz. Kein SPD-Minister mehr aus der Hauptstadt

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Potsdam/Forst - Potsdam, auf Wiedersehen! Wenn Dietmar Woidke am 28. August neuer Ministerpräsident Brandenburgs wird, dann wird er mit seiner Familie weiterhin in der Lausitz leben. Das hat der 51-Jährige jetzt in seinem ersten Interview als designierter Regierungschef erklärt, das er erwartungsgemäß der „Lausitzer Rundschau“ gab, seinem Heimatblatt. Er bleibe selbstverständlich in Forst wohnen. „Meine Familie lebt seit Hunderten von Jahren hier. Das ist Heimat. Hier schlägt mein Herz“, erklärte Woidke. „Das war auch so, als ich in Berlin gewohnt oder für drei Jahre in Bayern gearbeitet habe.“ Man werde ihn also zu Hause weiter joggen sehen, denn er werde es auch künftig „nicht missen, in dieser schönen Gegend um die Euloer und Mulknitzer Teiche die Lausitz laufend zu genießen“. In Potsdam will Woidke seine kleine Wohnung behalten, die er seit Längerem hat, erst als SPD-Fraktionschef, seit 2010 als Innenminister, falls es in der Woche mit dem Dienst doch arg spät wird. Eine Beeinträchtigung für seine Amtsgeschäfte als künftiger „MP“ sieht Woidke jedenfalls nicht, wenn er im 170 Kilometer entfernten Forst lebt. „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Ich schaue im Auto ja nicht nur aus dem Fenster.“

Es ist scheinbar nur eine kleine Facette des Wechsels nach dem vorzeitigen, krankheitsbedingten Rückzug des langjährigen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck. Und doch verbirgt sich auch hinter dieser persönlichen, nicht überraschenden Entscheidung Woidkes durchaus eine Premiere. Erstmals seit 1990 wird das Land Brandenburg nicht mehr von einem Potsdamer regiert. Manfred Stolpe (1990 bis 2002) und Matthias Platzeck (2002 bis 2013) waren nie nur Landesväter, sondern auch Landeshauptstädter, der eine wohnhaft in Potsdam-West, der andere in Babelsberg. Beide haben sich immer auch in die Entwicklung Potsdams eingemischt, waren etwa beim Schlossaufbau Potsdam-Lobbyisten.

Und mehr noch, die brandenburgische Landeshauptstadt spielt im rot-roten Kabinett im Grunde personell kaum noch eine Rolle. Die Zeiten früherer Potsdam-Dominanz sind damit vorbei. Künftig werden Umweltministerin Anita Tack und Justizminister Volkmar Schöneburg, beide Linke, die einzigen Potsdamer im Kabinett sein. Für die SPD hingegen ist kein Minister aus Potsdam mehr direkt in der Regierung, dem traditionellen Machtzentrum im Land, sieht man einmal von Staatskanzleichef und Staatssekretär Albrecht Gerber ab, der nach den Absprachen im Amt bleiben wird. Ein Rückblick offenbart, wie viel sich da gewandelt hat, wobei die schleichende Entwertung Potsdams früher begann – mit den SPD-Affären in dieser Legislaturperiode, nämlich mit den Rücktritten von Innenminister Rainer Speer – der Politik bei Rotwein und Zigarre beim Potsdamer Italiener machte – und von Bildungsminister Holger Rupprecht, der hier lange Schulleiter war und den Handballverein VFL Potsdam führt. Und Regierungschef Matthias Platzeck wohnte und wohnt zwar in Potsdam, doch seinen Direkt-Wahlkreis hat er schon länger in die Uckermark verlagert.

Was Woidke anders machen wird? Er lässt sich dazu auch im ersten Interview wenig in die Karten gucken. Ein Signal hatte er vorher mit der Ankündigung gesetzt, anders als Platzeck nicht in den BER-Aufsichtsrat zu gehen. Auch hat er bereits klargestellt, dass es eine Vorfestlegung, eine Koalitions-Präferenz für die Zeit nach der Wahl 2014 auch mit ihm als designierten Parteichef und SPD-Spitzenkandidaten nicht geben wird. Allerdings betont Woidke, dem wegen seiner anfänglichen Skepsis gegen Rot-Rot eine Nähe zur CDU nachgesagt wird, demonstrativ die Erfolge der Regierungskoalition mit den Linken. „Was diese Koalition leistet, das hat ihr kaum jemand zugetraut. Ich habe damals nicht für möglich gehalten, dass wir mit der Linken so schnell ein Vertrauensverhältnis aufbauen würden“, sagt er. „Heute schon ist der Koalitionsvertrag nahezu umgesetzt. Für mich hat Rot-Rot unser Land vorangebracht.“ Seine Aussagen decken sich mit dem Klima beim jüngsten Koalitionsausschuss, der vorigen Donnerstagabend erstmals nach der Rücktrittsankündigung Platzecks tagte, in einer Atmosphäre, „in der es auch menschlich stimmte“, so ein Teilnehmer.

Schon jetzt ist klar, dass es Kontinuität in anderer Hinsicht geben wird. Auch mit Woidke als Ministerpräsidenten werden die Brandenburger nicht bekommen, was es auch mit Matthias Platzeck und seiner Frau Jeanette nicht gab – nämlich eine klassische First Lady. Seine Frau werde weiter in der Lausitz arbeiten gehen, kündigte Woidke an. „Natürlich weiß meine Frau auch, dass sie künftig einige Termine an meiner Seite wahrnehmen wird. Aber wir wollen beide keinen First-Lady-Status für sie.“

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