Von Hannes Heine und Jörn Hasselmann: Protest gegen Krise – Alarm für Polizei
Mehr als 10 000 Teilnehmer bei Aufzug gegen Wirtschaftsordnung erwartet 1000 Beamte im Einsatz. Politik befürchtet Ausschreitungen
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Berlin - Drinnen feiert die Berliner Polizei mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und hunderten Gästen den 200. Geburtstag des Präsidiums. Draußen sammeln sich 10 000 Menschen, darunter vermutlich mehrere hundert militante Autonome, zur bislang größten Demontration in diesem Jahr. Das Rote Rathaus steht doppelt im Mittelpunkt des Interesses. Weit über 1000 Polizisten werden am heutigen Samstag AB HIER NEU!]die Demonstration „AB HIER NEU!]Wir zahlen nicht für Eure Krise/AB HIER NEU!]“ sichern – und zugleich den Festakt im Roten Rathaus vor möglichenAttacken schützen.
Die Polizei erwartet „mit hoher Wahrscheinlichkeit einen unfriedlichen Verlauf“, wie es in einer Analyse des Staatsschutzes heißt. Verwiesen wird auf mehrere vorangegangene Demonstrationen mit ähnlichen Themen, die unfriedlich endeten, so zum Beispiel die Hausbesetzerdemo vor zwei Wochen. In der Analyse wird sogar eine generelle „aktuelle Gewaltbereitschaft der Szene“ konstatiert. Deshalb darf die Demo nicht, wie von den Organisatoren gewünscht, über den Boulevard Unter den Linden und den Gendarmenmarkt ziehen. Das Verwaltungsgericht hat das Verbot der Polizei bestätigt. Nun sollen die Demonstranten über die Oranienburger Straße ziehen und am Roten Rathaus wieder enden. Als heikel und problematisch gilt vor allem der Abschnitt am Hackeschen Markt – dort sind die Straßen besonders eng.
Es wird erwartet, dass sich innerhalb der von Gewerkschaftlern und Attac-Anhängern dominierten Demonstration ein Schwarzer Block von Autonomen bilden wird. Mehrere linksradikale Gruppen haben zur Bildung eines „antikapitalistischen Blocks“ aufgerufen.AB HIER NEU!] Es sei „keine Gewähr für einen friedlichen Verlauf“,/AB HIER NEU!] dass die Demo von Gewerkschaften und dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac unterstützt werde, heißt es in dem Polizeipapier weiter.
/AB HIER NEU!]An diesem Samstag wird in vielen europäischen Ländern gegen die Wirtschaftspolitik der jeweiligen Regierungen demonstriert. Gewerkschafter, Linkspartei und marxistische Gruppen gehen ebenso auf die Straße wie der Theologe und SPD-Mann Friedrich Schorlemmer. Der bekannte DDR-Bürgerrechtler soll heute in Berlin an der Spitze des Zuges marschieren. Schorlemmer ist erst vor wenigen Tagen dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac beigetreten, das ebenfalls zu den Protesten aufruft. „Eine Gesellschaft, in deren Mittelpunkt das Kapital und nicht der Mensch steht, wird eine unmenschliche Gesellschaft“, sagte Schorlemmer. Er fordert einen „Weltwirtschaftsrat, der ökonomische, ökologische und soziale Fragen zugleich in den Blick nimmt. Hatte man nicht gestern noch die horrenden Vergütungen für Manager damit begründet, dass sie schließlich auch ein viel höheres Risiko trügen? Jetzt, wo es tragen müssten, rufen sie nach dem Staat, also nach der Summe der Steuerzahler und machen sich - gut gepolstert – davon, nicht aus dem Staube, bevor sie nicht noch schnell abgestaubt haben“, sagte Schorlemmer. Bei einer parallelen Demonstration in Frankfurt am Main erwarten einige Protestler den ehemaligen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, der vor zwei Jahren ebenfalls Attac beigetreten war. Linksparteichef Gregor Gysi wird in Berlin auf der Abschlusskundgebung sprechen. Dominiert wird die Veranstaltung nach Einschätzung der Organisatoren aber von Attac-Anhängern.
Die Krisenproteste böten die Chance für eine kapitalismuskritische Bewegung – jenseits linker Splittergruppen, heißt es von den Veranstaltern: „Dass zur Rettung von Banken und Konzernen Milliarden da sind, während woanders kaputt gespart wird, empört einen Großteil der Bevölkerung.“ Eine solidarische Krisenlösung und eine „ökologisch und sozial orientierte Wirtschaftsdemokratie“ fordert etwa Hans-Jürgen Urban vom Vorstand der IG Metall, mit 1,3 Millionen Mitgliedern die größte Gewerkschaft Europas.
Als einer der wenigen gewerkschaftlichen Spitzenfunktionäre wird Urban in Berlin dabei sein. Die Führung des Deutschen Gewerkschaftsbundes unterstützt den Protestzug nicht. Kritik gab es deshalb gestern wiederholt an Frank Bsirske. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi wird – anders als angekündigt – nicht in Berlin mitdemonstrieren. Vielmehr folgte Bsirske einer Einladung der britischen Schwestergewerkschaft Unison und wird in London demonstrieren. Dort beraten demnächst die Staatschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer über die Weltwirtschaftskrise. Kritiker vermuten, dass sich die Gewerkschaftschefs vor der Bundestagswahl im September nicht mit der SPD-Führung anlegen wollen.
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