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Von Thorsten Metzner: Protest gegen rote Pläne für freie Schulen

Bildungsexperte kritisiert „Realitätsferne“ der SPD Geplante Kürzungen und Hürden umstritten

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Potsdam - Brandenburgs Sozialdemokraten wollen den Boom freier Schulen im Land bremsen, was für heftigen Streit sorgt. Am Freitag hagelte es Proteste von Betroffenen, Fachleuten und der Opposition aus CDU, FDP und Grünen. In einem offenen Brief warf etwa der Bildungsexperte Wilfried Steinert der SPD „Bildungs- und Realitätsferne“ vor. „Brandenburg belegt im Bildungsvergleich der Länder einen der letzten Plätze. Durch bürokratische und finanzielle Eingrenzungen der privaten Schulen wird man im Bildungskeller bleiben“, warnt Steinert, der über die Landesgrenzen hinaus anerkannt ist: Der frühere Schulleiter der Waldorfschule Templin, die den Deutschen Schulpreis 2010 gewann, war Vorsitzender des Bundeselternrates und ist im Sprecherrat des Expertenkreises „Inklusive Bildung“ der Deutschen UNESCO-Kommission.

Mit dem Brandbrief reagierte Steinert auf den Beschluss der SPD-Landtagsfraktion auf der Klausurtagung in Motzen vom Vortag, die „Regelungen zur Genehmigung und zum Betrieb der Schulen in freier Trägerschaft zu überprüfen“. Geplant sind Kürzungen bei Zuschüssen durch ein neues Finanzierungssystem, höhere Genehmigungs-Hürden für Neugründungen („Mindestfrequenz“ und „Mindestzügigkeit“) und strengere Vorgaben zur Qualifikation von Lehrkräften.

Zur Begründung verweist die SPD darauf, dass Brandenburg mit seiner vielfältigen Bildungs- und Trägerlandschaft bundesdeutsches Niveau „fast erreicht“ hat. Bei den allgemeinbildenden Schulen besuchen heute 7,5 Prozent der Schüler eine freie Bildungsstätte, bei den Berufsschulen sind es sogar 13,3 Prozent, womit sich die Zahl der Schulen und Schüler seit dem Jahr 2000 verdreifachte. Ein Grund ist, dass nach der Schließung staatlicher Schulen in ländlichen Regionen infolge der Geburtenrückgänge dort freie Schulen entstanden, da diese anders als öffentliche mit Mini-Klassen genehmigt wurden.

„Die Rahmenbedingungen sind sehr gut. Wir müssen jetzt mehr auf Qualität achten“, sagte Bildungsstaatssekretär Burkhard Jungkamp. So wolle man sicherstellen, dass Unterricht nicht nur durch Honorarlehrer gegeben werde. Nach dem Skandal um den privaten Berufsschul-Bildungsträger Educon, der sich mit fiktiven Schülerzahlen Millionen erschlichen hatte, müsse man zudem die Verwendung öffentlicher Gelder genauer kontrollieren. Jungkamp bestätigte aber auch, dass es um weniger Geld geht: Die Zuschüsse für freie Schulen seien bislang in Brandenburg deutlich höher als etwa in Sachsen, was demografischen und finanziellen Erfordernissen angepasst werden müsse. Dagegen verwies Bildungsexperte Steinert darauf, dass freie Schulen dem Steuerzahler viel Geld sparen, da sie nur 93 Prozent der vergleichbaren Personalkosten bekommen, alle Sachkosten tragen. Wer hier hier kürze, treibe die Elternbeiträge nach oben, handle unsozial.

„Man will uns Steine in den Weg legen, aus ideologischen Gründen“, vermutet Christoph Schröder, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft freier Schulen. Die Linie der Grünen im Landtag lautet, „einheitliche Qualitätsstandards Ja, Kürzungen Nein“. FDP-Fraktionschef Andreas Büttner spricht von einem „Angriff auf freie Schulen“: Um von Versäumnissen bei staatlichen Schulen abzulenken, zettele man jetzt ohne Not eine Qualitätsdebatte um freie Schulen an, „aus ideologischer Verbohrtheit“. Der CDU-Bildungsexperte Gordon Hoffmann nannte es einen „Skandal“, dass die Platzeck-Regierung eigene Fehler auf dem Rücken der Schüler und Lehrer austrage: „Die Gründung freier Schulen ist in unserem Land gesetzlich fest verankert.“

Die Reaktionen beim Linke-Koalitionspartner fielen zwiespältig aus. Der Abgeordnete Torsten Krause, auch Vorsitzender des Bildungsausschusses, begrüßte die Grundrichtung. Angesichts der finanzpolitischen Schwierigkeiten sei es zudem „nur fair, dass man sich alles ohne Vorbehalte anschaut“. Dagegen mahnte die Bildungsexpertin Gerrit Große ein „vorsichtiges Herangehen“ an, inbesondere bei möglichen Einsparungen.

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