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TICKETS: Punk am Park

Ab Freitag wird der alte Flughafen Tempelhof in Berlin zur riesigen Konzertkulisse. Erst spielen Die Toten Hosen und dann die Ärzte

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Berlin - Auf einer Wiese, mitten auf der Tempelhofer Freiheit, liegt am Mittag ein Mann auf dem Rasen. Seine Hände hat er auf dem Bauch zusammengefaltet, die Füße liegen nackt im Gras, und ein hellbrauner Hut verdeckt sein Gesicht. Während sich sein Brustkorb langsam auf und ab bewegt, tapst ein schwarzer Hund direkt neben ihm umher, zwei Männer lassen ein Modellflugzeug durch die Luft surren und eine Frau spricht laut in ihr Telefon. Von alldem bekommt der Mann jedoch nichts mit. Er schläft.

Mit der Ruhe, die mitten am Tag über dem ehemaligen Flughafengelände liegt, wird es am Wochenende vorbei sein. An allen drei Tagen stehen Die Toten Hosen und Die Ärzte auf der Bühne und werden insgesamt 120 000 Besucher unterhalten. „Mit einer Größe von 23 Hektar bietet das betonierte Vorfeld dafür eine spektakuläre Kulisse“, sagte ein Sprecher der Tempelhof Projekt GmbH. Das Unternehmen arbeitet seit dem 1. September 2009 gemeinsam mit der Grün Berlin GmbH an der Entwicklung des Standortes.

Um auf der riesigen Freifläche eine kleine abgegrenzte Konzertfläche zu schaffen, hat der Veranstalter Loft Concerts einen weißen Zaun und einen Sichtschutz errichtet. Dadurch können Besucher der Parklandschaft die Musik zwar anhören, aber sonst nichts von den Shows mitbekommen. Zusätzlich sollen Ordnungsamt-Mitarbeiter laut der Polizei ein Auge auf die lauschenden Zaungäste haben.

Lennart Malitzky (25), der am Rande des Feldes gerade in einem Café sitzt, würde das blinde Lauschen nicht reichen. Er will Campino schwitzen sehen.

Am Freitagabend machen der und seine Toten Hosen dort mit ihrer „Der Krach der Republik“-Tour Station. Am Samstag und am Sonntag folgen Bela B., Farin Urlaub und Rod Gonzalez mit den „Ärztivals“. Das Konzert der Toten Hosen sei mit 50 000 Besuchern seit Monaten ausverkauft, für die Ärzte gebe es für den Sonntag noch Karten, teilten die Organisatoren auf Anfrage mit. Für Samstag sind alle 45 000 Tickets schon weg. Beide Bands haben mehrere andere Punk-Musiker mit dabei.

Beide Bands spielten in den vergangenen Jahren immer wieder große Konzerte in Berlin, Im vergangenen Dezember waren die fünf Toten Hosen zudem zweimal in der ausverkauften Max-Schmeling-Halle aufgetreten. Alles seien Orte, an denen sie zuvor noch nie gespielt haben, hieß es. Auf dem Tempelhofer Feld haben die Deutsch-Punker die ebenfalls aus Düsseldorf stammende Punkband Broilers und die Chemnitzer Band Kraftklub („Ich will nicht nach Berlin“) mit dabei. Am Freitag erscheint auch die neue „Hosen“-Single „Das ist der Moment.“

„Es wird laut werden. Sehr, sehr, sehr laut!“, kündigen Die Ärzte an, und: „Die drei Superhelden kommen mit Hits, Obskurem und jenen Songs, an die sich nicht mal mehr die Musiker selbst richtig erinnern können. Und alles für das beste Publikum der Welt.“ Das Berliner Trio, das sich selbst „Die beste Band der Welt“ nennt, hat alljährlich im Sommer in der Stadt mehrere ausverkaufte Open-Air-Auftritte vor Zehntausenden. Auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof haben sie die kanadischen Hardrock-Blues-Rocker Danko Jones als Vorband dabei, außerdem am Samstag die US-Punkrocker NOFX und am Sonntag die bayerische Brass-Combo LaBrassBanda.

Lennart Malitzky findet es super, das ehemalige Flughafengelände als Eventlocation zu nutzen. „Der Berliner sucht das Grüne, und dieses riesige Gelände soll lieber für Messen und Konzerte genutzt werden als für Wohnhäuser“. „Das ist in einer Stadt wie Berlin aber auch gerechtfertigt“, sagt Julius Dahms von der Initiative Tempelhofer Feld. Solche Events wie das Konzertwochenende seien für das Viertel zudem eine absolute Bereicherung. „Es unterstützt nämlich den Charakter als Fläche zur Freizeit und Erholung.“

Das sieht Hanne Mattner, die ebenfalls in dem Bezirk lebt, ein wenig anders. Die 67-Jährige möchte sich zwar nicht beklagen, weder über die Lautstärke von Open-Air-Veranstaltungen und Konzerten noch über den Müll der Besucher auf den Gehwegen. Trotzdem sagt sie mit einem Seufzer: „Damals, als das noch ein Flughafen war, war es schon ruhiger hier. Seitdem ist vieles anders.“

In Gesprächen mit weiteren Anwohnern zeigt sich vor allem ein Problem mit dem Tempelhofer Feld als Veranstaltungszone: der Kampf um einen Parkplatz. Damit an diesem Wochenende keine Garagen und Grünflächen im Tempelhofer Viertel blockiert werden, hat der Veranstalter eine „Anwohnerschutzzone“ in der Fliegersiedlung eingerichtet. Ein privater Sicherheitsdienst wird an den kommenden Tagen von 12 Uhr mittags bis 24 Uhr darauf achten, dass lediglich Bewohner der Gartenstadt zu ihren Häusern und Wohnungen kommen. Die Konzertbesucher sollen stattdessen mit Bus und Bahn anreisen. Darauf wird auch die Polizei achten, wie ein Sprecher sagte.

Die Anreise per öffentlichem Nahverkehr sei bei anderen Veranstaltungen auf dem Gelände bisher kein Problem gewesen, weder bei der Modemesse Bread & Butter noch bei der Design-Ausstellung DMY oder der Marathonmesse. Seit auf dem ehemaligen Airport keine Flieger mehr starten und landen, gehören solche Großveranstaltungen zum Konzept fest dazu. Auch in dem Gebäude des ehemaligen Flughafens finden Partys und Konzerte statt.

So ruhig wie wie an diesem Mittag wird es von Freitag bis Sonntag erst wieder spätabends sein. Das ist für die 64-jährige Brigitte Held aber in Ordnung. „Dafür sind wir ja wohl Großstadt genug!“ (mit dpa)

KEINE SICHT

Das Konzert der Toten Hosen am Freitag (18 Uhr) ist ausverkauft. Wer mag, kann sich in den Park legen – die Tempelhofer Freiheit ist bis 21.30 Uhr geöffnet.

ARZTTERMINE

Das Konzert der Ärzte am Sonnabend beginnt um 18 Uhr, am Sonntag um 17 Uhr. Es gibt Restkarten.

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