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Rund tausend Teilnehmende kamen am Samstag zum CSD nach Oranienburg.

© Dominik Lenze

Queere Präsenz auf dem Land: Was der CSD in Oranienburg über Brandenburg erzählt

Ohne Gegenprotest: 1000 Teilnehmende konnten friedlich beim Christopher Street Day in Oranienburg demonstrieren. Trotz zunehmender Bedrohung für Queers gab es 2025 einen Rekord an CSDs in Brandenburg.

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Vor dem barocken Schloss Oranienburg wehen an diesem Tag feierlich Pride-Flaggen. Rund tausend Teilnehmende kamen am Samstag zur Christopher-Street-Day-Demonstration in die Stadt in der Oberhavel in Brandenburg: Jugendliche, Eltern mit Kindern, in sommerlicher Alltagskleidung oder auch mit bunten Perücken oder Kostümen.

Die Demonstration für queere Rechte und Sichtbarkeit ist eine der letzten in dieser CSD-Saison. Anders als im Jahr zuvor verlief die queere Parade ohne Gegenproteste oder Angriffsversuche von Rechtsaußen. „Friedlich und störungsfrei bis zum Ende”, bestätigte eine Polizeisprecherin am Samstagabend.

Das ist leider keine Selbstverständlichkeit: Bereits im vergangenen Jahr standen CSDs in der Provinz immer wieder im Fokus von zumeist jugendlichen Neonazi-Gruppen. Auch in diesem Jahr gab es rechtsextreme Gegenproteste gegen queere Demonstrationen in Brandenburg, teils gewalttätige, zum Beispiel einen Angriff eines vermummten mutmaßlichen Neonazis auf ein Fest für Vielfalt in Bad Freienwalde.

Rund tausend Teilnehmende kamen am Samstag zum CSD nach Oranienburg.

© Dominik Lenze

Zahlenmäßig sind die Neonazi-Proteste stets unterlegen: In Bernau im Juli zum Beispiel protestieren gerade einmal 40 Neonazis gegen 600 CSD-Teilnehmende. In vielen Städten konnten die CSD-Teilnehmer weitestgehend ungestört demonstrieren.

So viele CSDs wie noch nie

In Brandenburg gab es in diesem Jahr 16 CSDs, ein weiterer findet noch in Cottbus statt – das sind so viele wie noch nie zuvor in der Geschichte des Bundeslandes. In manchen Städten fand zum ersten Mal überhaupt ein CSD statt, zum Beispiel in Ludwigsfelde. Die Parade in Oranienburg findet inzwischen zum dritten Mal statt. Initiator ist der 39-jährige Candy Boldt-Händel, der auch Mitglied im Bundesvorstand der Linken ist. Auf der Demonstration am Samstag waren auch Flaggen von SPD, Linken und Grünen zu sehen.

„Es war eine Wutentscheidung“, erinnert sich Boldt-Händel. Anlass war der Tod von trans Mann Malte C., der 2022 auf einem CSD in Münster von einem Mann angegriffen wurde und dann im Krankenhaus an den Folgen eines Schädelhirntraumas gestorben ist. Aus der Wut über diesen Vorfall sei der Entschluss erwachsen, hier vor Ort in Oranienburg etwas auf die Beine zu stellen, erzählt er.

Die Frage ist immer: Wie komme ich gut nach Hause?

Candy Boldt-Händel (Linke), Organisator des CSD in Oranienburg

Die Bedrohungslage für queere Personen habe zugenommen, meint Boldt-Händel: „Ich bin vor 20 Jahren zum ersten Mal zum CSD in Dresden gegangen – da hab’ ich mir keinen Kopf gemacht: Wie komme ich sicher hin?“, sagt er. Auf den CSDs selbst sei es ja sicher. Aber: „Die Frage ist immer: Wie komme ich gut nach Hause?“

Am Samstag blieben die Rechtsextremen fern. Die Gruppe „Deutsche Jugend voran“, die besonders häufig gegen queere Menschen auf die Straße geht, protestiert an diesem Tag gegen einen CSD im sächsischen Görlitz, wie sich auf dem Instagram-Kanal der Nachwuchs-Neonazis nachvollziehen lässt. Hinzu kommt: Der Chef der Gruppe, der 24-jährige Julian M., sitzt seit Anfang des Monats eine Haftstrafe im offenen Vollzug ab. Wegen mehrerer Gewaltdelikte wurde er zu einer Strafe von mehr als drei Jahren verurteilt.

„Dörte Dancing“, so stellt sich die Frau mit der pinken Perücke und märkischen Dialekt vor, war auch letztes Jahr beim CSD in Oranienburg, als Neonazis gegen die Veranstaltung demonstrierten. „Am Ende waren es nur wenige“, sagt sie. Dennoch seien Familien mit Kindern ferngeblieben, aus Sorge wegen der rechten Drohgebärden.

Kulturprogramm im Hinterland

In vielen Städten in Brandenburg waren die CSDs auch Anlass für weitere kulturelle Veranstaltungen: Begleitend zum CSD in Eberswalde im Juli fanden in der Mittelstadt queere Kulturwochen statt. Am Samstag in Oranienburg folgte auf den Umzug ein Fest vorm Schloss.

Die Freundinnen Lydia und Lisa freuen sich, dass es überhaupt einen CSD in ihrer Nähe gibt. „Im Alltag ist es eher so: Queer gibt’s hier gar nicht“, sagt Lisa. Wenn, dann sei es höchstens Thema bei Klatsch und Tratsch: „Übrigens, der Nachbar, der hat ’ne lesbische Tochter“, sagt die Jugendliche.

Die beiden wollen trotz alledem in der Oberhavel bleiben, die Großstadt sei nichts für sie – auch wegen der Mieten. Das bedeutet: Es muss auch hier funktionieren. „Es kann nicht sein, dass Berlin so ’ne queere Hauptstadt ist und eine Stunde weiter alles im braunen Sumpf versinkt“, sagt Lisa.

„Dörte“ mit der pinken Perücke hat früher in Berlin gelebt. „Da ist es einfacher, auf die Straße zu gehen“, sagt sie. Für die nächste CSD-Saison wünscht sie sich weiter viel Besuch aus dem Umland – gerade aus Berlin. „Da ist eine große queere Community, da freuen wir uns, wenn da noch Leute zur Unterstützung kommen“, sagt sie. Der 17. und letzte CSD für dieses Jahr in Brandenburg findet am 25. Oktober in Cottbus statt.

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