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Brandenburg: Rattanbett statt Weidenkorb – Manufaktur sucht Nische

Lianenpflanzen erhalten in der Uckermark ihren letzten Schliff – es entstehen Stühle, Sofas und Schränke. Vorläufer war eine Korbmacher-Firma, die ihr Material noch vor der Haustür fand

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Oberuckersee - An der Rattan- und Massivholz-Manufaktur de la Barré in der Uckermark fährt keiner so einfach vorbei. Seit gut zwei Monaten steht ein großer geflochtener Stuhl auf der Straße gegenüber dem kleinen Mittelständler. Direkt am Radweg Berlin-Usedom gelegen macht so mancher Fahrradfahrer halt und ein Foto. „Die Idee dazu hatte mein Vater“, sagt Marc de la Barré, der die Firma in Oberuckersee-Potzlow seit 2004 leitet. „Wir wollen damit touristisch auf die Region aufmerksam machen.“ Auf dem knapp zwei Meter hohen Stuhl finden zwei Leute bequem Platz. „Damit wollen wir auch für das einst in der Uckermark verbreitete Handwerk werben.“ Das älteste bekannte Gefäß der Menschheit ist geflochten, wie Korbmacher-Meisterin Thea Müller aus Buschdorf im Oderbruch erklärt.

Seinerzeit seien Weiden für den Deichbau angebaut worden. „Die Korbmacher sind die Nachnutzer.“ Der Beruf sei schwer und hart. „Und Geld lässt sich damit auch nicht mehr verdienen“, sagt die Korbmacherin, die nach eigenem Bekunden in Brandenburg seit 15 Jahren das einzige Korbmacher-Museum betreibt. Dieses Jahr feiert sie das 30-jährige Jubiläum ihrer Firma. Zwar gebe es noch Korbmacher, doch bilde kein Meister mehr Lehrlinge aus. Einzige Ausbildungsstätte bundesweit ist die Staatliche Berufsfachschule für Flechtgestaltung in Lichtenfels in Bayern.

Die hat Marc de la Barré besucht und es mit 21 Jahren zum jüngsten Handwerksmeister Deutschlands geschafft. In der Uckermark trat er in Vaters Fußstapfen. Hartmut de la Barré hatte den Betrieb 1986 gegründet. Wegen eines Augenleidens musste er damals umschulen. Als Korbmacher verarbeitete er einheimische Weiden. Als mit der Wende Billigprodukte den Markt überschwemmten, suchte sich der kleine Betrieb eine Nische und entdeckte das Rattanrohr.

Verarbeitet wird sogenanntes Manau-Rohr von Lianenpflanzen aus Südostasien, das sich in alle Richtungen biegen lässt. „Diese Eigenschaft hat sonst nur Kautschuk oder Gummi, Holz nicht “, erläutert de la Barré junior. „Das Material ist einmalig.“ In Bündeln mit bis zu drei Meter langen unterschiedlich dünnen Stangen kommt das Rohr via Schiffscontainer und Laster in die Uckermark. Die hellen Stangen stehen und liegen gebündelt in der Werkstatt und auf dem Hof.

Das Material wird gedämpft, gefräst, geschnitten, geschliffen, lackiert - alles in Handarbeit. Der Betrieb mit derzeit vier Mitarbeitern baut Möbel auf Bestellung. Eine Ausstellung im Haus gibt einen Überblick.

„Alles entsteht in unseren Köpfen. Wir entwerfen, bauen und bieten unsere Waren an“, erzählt de la Barré. Über Jahre klapperte er in Deutschland, Italien und Österreich Möbelkaufhäuser ab. „Es war eine sehr schwere Zeit, auch mit Niederlagen“, sagt der 31-Jährige. Als Neuling aus Ostdeutschland habe er sich in Gesprächen mit gewieften und gestandenen Einkäufern behaupten müssen. Doch der Einsatz lohnte sich: Rattanmöbel aus der Uckermark wurden zu etwa 80 großen Möbelhäusern geliefert. Nach Firmenangaben ist die Manufaktur deutschlandweit der einzige Betrieb, der Rattanmöbel produziert.

In Brandenburg gibt es nach Angaben der Handwerkskammern in Potsdam, Frankfurt und Cottbus zusammen nur noch gut 20 Korbmacher-Betriebe. De la Barré beliefert heute zehn Möbelhäuser.

Um Potzlow wachsen viele Weiden - ein Korb-Dorf mit 550 Einwohnern, auf Platt Korbdör. Mit dem Verein Mittelpunkt der Uckermark solle seine Idee „Dat Korbdörp“ umgesetzt werden, berichtet der 53 Jahre alte Senior de la Barré. Geflochtene Gegenstände könnten sich wie ein Leitfaden durch das Dorf ziehen.

Im Nachbarort Strehlow steht das zweite Objekt, das nach dem großen Rattanstuhl seinesgleichen sucht: ein Weidenkorb, drei Meter Durchmesser, mit Blumen bepflanzt. In vielen freien Stunden haben Vereinsmitglieder den Korb geflochten, der auch für die Landesgartenschau in Prenzlau werben soll. „Die Aktion ist bei den Anwohnern gut angekommen“, sagt Ortsbürgermeister André Henke. Sie soll an die alte Tradition der Korbmacherei erinnern. Demnächst sollen Hütten geflochten und aufgestellt werden.

Rattan- und Massivholz-Manufaktur, Seehausener Chaussee 3, 17291 Oberuckersee/OT Potzlow

Steffi Prutean

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