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Brandenburg: Razzia bei Fotografen
Bildjournalisten machten bei Anti-Kapitalismus-Protesten in Frankfurt/Main Fotos. Diese wurden nun beschlagnahmt – ein Verstoß gegen die Pressefreiheit.
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Berlin/Erkner - Hunderte Beamte haben am gestrigen Mittwoch in Brandenburg, Berlin, Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen die Wohnungen von Fotografen durchsucht. Bei den acht Betroffenen wurden Computer beschlagnahmt und Daten kopiert. Die Fotografen sind keine Beschuldigten, ihre Bilder sollen den Behörden in Frankfurt am Main lediglich bei der Suche nach Verdächtigen helfen. Zwei der freiberuflich arbeitenden Fotografen sind auch für die Potsdamer Neuesten Nachrichten und den Tagesspiegel tätig. Einer der Betroffenen ist derzeit auf Dienstreise in Syrien – seine Berliner Wohnung wurde dennoch aufgebrochen. Zusammen mit den anderen soll er Ende März 2012 bei den Protesten gegen die Finanzpolitik von Bundesregierung und Europäischer Union in der Bankenstadt dabei gewesen sein. Die hessische Polizei geht davon aus, dass bei ihnen Fotos gefunden werden könnten, die eine Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und Einsatzkräften zeigen, bei denen ein Polizist so schwer verletzt worden war, dass er mehrere Tage auf der Intensivstation lag.
Offiziell werden Beweismittel im Fall einer schweren Körperverletzung gesucht. Die Fotografen legten Beschwerde ein. Das Kopieren ihrer Daten sei unrechtmäßig. Journalistenverbände sehen das ähnlich. „Medienvertreter sind keine Hilfspolizisten“, sagte Andreas Köhn, der für die Gewerkschaft Verdi Journalisten vertritt. Verdi sicherte den Betroffenen für etwaige Prozesse Rechtsschutz zu. „Wir werden uns wehren, allein bei mir wurden 1341 Bilder kopiert“, sagte Christian Jäger, Fotograf aus Erkner, der auch für diese Zeitung tätig war.
Die Frankfurter Staatsanwaltschaft will die Daten prüfen. Sollte sich herausstellen, dass die Fotografen nicht für ihr Archiv, sondern für Zeitungen tätig waren, werde man die Bilder vorerst nicht auswerten, sagte eine Sprecherin. Zuvor hatte sie noch gesagt, dass es sich bei den Fotografen um Sympathisanten der linken Szene handele. „Ich habe Pressebilder gemacht, eines wurde etwa in der ’Financial Times Deutschland’ gedruckt. Das hätte die Polizei wissen müssen“, sagte Christian Mang, Betroffener aus Berlin.
Die Fotografen weisen darauf hin, dass Ermittler sie 2012 außerdem per E-Mail und Telefon zu den Protesten befragt hätten. „Ich habe erklärt, keine Bilder einer möglichen Schlägerei zu haben“, sagte Jäger. Dabei hätte es die Polizei belassen müssen. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte, das beschlagnahmte Material unverzüglich zurückzugeben. Als „völlig inakzeptabel“ bezeichnete auch der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger den Einsatz. Derartige Beweissicherungsmaßnahmen seien unvereinbar mit der freien Presse.
Die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus will den Einsatz im Innenausschuss thematisieren. Wohnungen freier Fotografen würden auch als Redaktionsräume gelten, sagte Benedikt Lux (Grüne): „Das riecht mehr nach Einschüchterungsversuch als nach gezielter Ermittlung.“ Redaktionen genießen durch die verfassungsrechtlich verankerte Pressefreiheit besonderen Schutz. Sebastian Nerz, Vize-Bundeschef der Piraten, sagte: „In den vergangenen Jahren wurden Grundrechte nur noch als lästige Grenze wahrgenommen.“ Dahin gehende Probleme seien alltäglich. „Egal ob es um Hausdurchsuchungen wegen Nichtigkeiten in Redaktionen geht oder wie in diesem Fall, in dem Fotografen wie Verbrecher behandelt werden“, sagte Nerz.
Rechtsanwalt Sven Richwin, der einen Betroffenen vertritt, sagte zum Durchsuchungsbeschluss aus Frankfurt am Main: „Die Erlaubnis dazu kommt zwar von einem hessischen Ermittlungsrichter, dem hat die Staatsanwaltschaft aber offenbar verheimlicht, dass es sich bei den Betroffenen um hauptberufliche Fotografen handelt.“ Pressefotografen können sich auf das Beschlagnahmeverbot in der Strafprozessordnung berufen, es gilt für Journalisten, Rechtsanwälte, Pfarrer, Ärzte und Abgeordnete. Zudem hatte das Bundesverfassungsgericht 2007 im Cicero-Urteil festlegt, dass bei Journalisten nur durchsucht werden darf, wenn es Beweise dafür gibt, dass sie selbst eine Straftat begangen haben. 2005 hatten Ermittler in Potsdam die Redaktionsräume des Politik-Magazins „Cicero“ in Potsdam in einem Verfahren um Geheimnisverrat beim Bundeskriminalamt (BKA) durchsucht.
Erst im Dezember durchsuchte die Berliner Staatsanwaltschaft die Redaktion der „Berliner Morgenpost“ und beschlagnahmte Unterlagen. Gegen einen Reporter wird wegen Bestechungsverdachtes ermittelt. Der Axel-Springer-Verlag hatte Rechtsmittel gegen den Einsatz eingelegt. Die Untersuchung läuft noch. (mit axf)
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